Sorgfältige Morde – oder: Los Angeles 1947

Vier Tage noch bis Weihnachten, und dies war mein erster Fall. Vor einigen Tagen hatte ich mich mit einem Detektivbüro selbstständig gemacht. Mit meinen letzten Army-Dollars hatte ich zu einem Spottpreis zwei Räume in einem riesigen, fast komplett leerstehenden Backsteinkasten am Bay City Boulevard gemietet, der kurz zuvor von einer Versorgungseinheit der Navy geräumt worden war, und eine Blondine namens Fromset als Sekretärin angeheuert. Sie sah appetitlich aus und kümmerte sich die meiste Zeit um ihr Make-up und den Lack ihrer Fingernägel, während sie auf das Telefon aufpasste, das leider ziemlich still blieb. Unterdessen bemühte ich mich, überall in der Stadt bei allen sich bietenden Gelegenheiten die Visitenkarten meiner kleinen Firma namens +++ Confidential Investigations, L.A. . . . weiter lesen

Weihnachten bei Leberecht Hühnchen

I. Die Einladung Ich hatte meinen Freund Leberecht Hühnchen sehr lange nicht gesehen, da traf ich ihn eines Tages kurz vor Weihnachten in der Leipziger Strasse. Er hatte Einkäufe gemacht und war ganz beladen mit Packeten und Packetchen, welche an seinen Knöpfen und Fingern baumelten und überall weggestaut waren, wo sich Platz fand, sodass er in seinem Ueberzieher ein höchst verschwollenes und knolliges Aussehen hatte und fast allen Begegnenden ein behagliches Lächeln auf die Lippen nöthigte, denn um die Weihnachtszeit sieht man gern also verzierte Leute. Er freute sich unbändig, mich zu sehen und sagte: »Wenn Du Zeit hast, so begleite mich doch zum Potsdamer Bahnhof, dass wir noch ein wenig plaudern können.« Ich that dies, und unterwegs zog er wie gewöhnlich alle Schleussen auf. . . . weiter lesen

Wie Santa Claus nach Simpsons Bar kam

Es hatte geregnet im Tal des Sacramento. Die Nordgabel überflutete ihre Ufer und der Klapperschlangenfluß war unpassierbar. Die wenigen Felsblöcke, die bei Simpsons Kreuzweg die Sommerfurt bezeichneten, waren von einer ungeheuren Wasserfläche bedeckt, die sich bis zu den Vorbergen ausdehnte. Die Postkutsche in die Berge hatte bei Granger halt gemacht. Die letzte Post war in den Sümpfen verlassen worden und der Postreiter hatte um sein Leben schwimmen müssen. „Ein Gebiet, so groß wie der ganze Staat Massachusetts steht jetzt unter Wasser", bemerkte die „Lawine der Sierra" mit tiefsinnigem Lokalstolz. In den Vorbergen war das Wetter durchaus nicht besser. Tief lag der Schlamm auf der Bergstraße; Frachtwagen, die weder physische Kraft noch sittliche Entrüstung von den üblen . . . weiter lesen

Eine Weihnachtsgeschichte

Es hatte vierzehn Tage lang gefroren wie in Sibirien. Auf dem höchsten Berg im Lande saß der alte Wintergreis mit seinem bläulichen Gewande und seinem lang hinstarrenden Schneebart, und ihm war so recht behaglich zumute, wie einem Menschengreise, wenn er hinter dem Ofen sitzt und das Essen ihm ge­schmeckt hat und alles gutgeht. Zuweilen rieb der alte Winter sich vor Vergnügen die Hände – dann stäubte der feine, schimmernde Schnee wie Zuckerpulver über die Erde; bald lachte er wieder still vor sich hin und es gab Sonnenschein mit klingendem Frost. Der schneidende Hauch seines Mundes ging von ihm aus, und wo er über die Seen strich, zerspaltete das Eis mit langhindonnerndem Getöse, und wo er durch die Wälder wehte, zerkrachten uralte Bäume von oben bis unten. »Habe Erbarmen, . . . weiter lesen

Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern

Es war entsetzlich kalt; es schneite, und der Abend dunkelte bereits; es war der letzte Abend im Jahre, Silvesterabend. In dieser Kälte und in dieser Finsternis ging auf der Straße ein kleines armes Mädchen mit bloßen Kopfe und nackten Füßen. Es hatte wohl freilich Pantoffeln angehabt, als es von Hause fortging, aber was konnte das helfen! Es waren sehr große Pantoffeln, sie waren früher von seiner Mutter gebraucht worden, so groß waren sie, und diese hatte die Kleine verloren, als sie über die Straße eilte, während zwei Wagen in rasender Eile vorüberjagten; der eine Pantoffel war nicht wiederaufzufinden und mit dem anderen machte sich ein Knabe aus dem Staube, welcher versprach, ihn als Wiege zu benutzen, wenn er einmal Kinder bekäme. Da ging nun das kleine Mädchen auf den . . . weiter lesen

Unterm Tannenbaum

Ei­ne Däm­mer­stun­de Es war das Ar­beits­zim­mer ei­nes Be­am­ten. Der Ei­gen­tü­mer, ein Mann in den Vier­zi­gern, mit scharf aus­ge­präg­ten Ge­sichts­zü­gen, aber mil­den, licht­blau­en Au­gen un­ter dem schlich­ten, hell­blon­den Haar, saß an ei­nem mit Bü­chern und Pa­pie­ren be­deck­ten Schreib­tisch, da­mit be­schäf­tigt, ein­zel­ne Schrift­stü­cke zu un­ter­zeich­nen, wel­che der da­ne­ben­ste­hen­de al­te Amts­bo­te ihm über­reich­te. Die Nach­mit­tags­son­ne des De­zem­ber be­leuch­te­te eben mit ih­rem letz­ten Strahl das gro­ße schwar­ze Tin­ten­faß, in das er dann und wann die Fe­der tauch­te. End­lich war al­les un­ter­schrie­ben. “Ha­ben Herr Amts­rich­ter sonst noch et­was?” . . . weiter lesen

Die Geschichte des blauen Karfunkels

Am zweiten Tage nach Weihnachten sprach ich vormittags bei meinem Freunde Sherlock Holmes vor, um ihm meine Glückwünsche zum Feste darzubringen. Ich traf ihn in einem purpurroten Schlafrock auf dem Sofa liegend, die lange Pfeife neben sich, ganz begraben unter einem Stoß von Morgenzeitungen. Neben dem Sofa stand ein Holzstuhl, an dessen Lehne ein ruppiger, unappetitlicher steifer Filzhut, an mehreren Stellen eingedrückt und längst nicht mehr gebrauchsfähig, aufgehängt war. Ein Vergrößerungsglas und eine Pinzette auf dem Sitz des Stuhles deuteten an, daß der Hut zum Zweck seiner Untersuchung dort hing. »Du bist beschäftigt«, sagte ich. »Ich störe dich vielleicht?« »Durchaus nicht. Es ist mir im Gegenteil . . . weiter lesen

Christbaum und Hochzeit

Neulich sah ich eine Hochzeit ... doch nein! Ich will Ihnen lieber von einer Christbaumfeier erzählen. Die Hochzeit war schön; sie gefiel mir sehr, aber die andere Feier war noch schöner. Ich weiß nicht warum, doch als ich die Hochzeit sah, mußte ich an die Christbaumfeier denken. Diese sah ich aber bei folgender Gelegenheit. Vor genau fünf Jahren war ich am Sylvesterabend zu einem Kinderball eingeladen, Der Gastgeber war ein sehr bekannter Geschäftsmann mit viel Verbindungen, Bekanntschaften und Intrigen, so daß der Kinderball wohl mehr ein Vorwand für die Eltern war, zusammenzukommen, um auf eine scheinbar harmlose und zufällige Weise von andern, wichtigeren Dingen zu sprechen. Ich war in die Gesellschaft ganz zufällig hineingeraten, hatte keinerlei Beziehungen zu den interessanten . . . weiter lesen