Die Große Post (General Post Office)

  Zu den interessantesten, wenn ich mich so ausdrücken darf, londonhaftesten Vergnügungen, die man sich hier schaffen kann, gehört ein Abendbesuch in der großen Halle des Postamts, St. Martin's le Grand. Ein besonderer Vorzug dieses Schauspiels ist seine Leichtzugänglichkeit und der Umstand, daß es, wie ein glänzendes Feuerwerk, in wenigen Minuten vorüber ist. Der günstigste Zeitpunkt ist Freitagabend, zehn Minuten vor sechs. Erfahrungsmäßig überflügelt der Postbetrieb des vorletzten Wochentages alle anderen. Die Handelswoche schließt mit Beziehung auf die Post nicht am Sonnabend sondern bereits am Freitag ab. Eben weil die hunderttausend Firmen der vereinigten drei Königreiche wie des benachbarten Kontinents . . . weiter lesen

Ein merkwürdiger Stapellauf

  London, 3. Nov. [1857] Der ungeheure Great Eastern Company-Dampfer wird heute vom Stapel laufen, wenn man den langsamen und komplizierten Marsch, den der «Leviathan» vom Bauplatz zum Fluß hinab zu machen hat (etwa hundert Schritt in zwölf Stunden), noch «vom Stapel laufen» nennen kann. Mr. Brunel hat sich zwar privatim dahin ausgesprochen, daß er das Londoner Publikum enttäuschen und Sorge tragen werde, daß alle Erwartungen auf Kenterung des Schiffes und etwaigen Verlust von Menschenleben zuschanden werden sollten, man soll indes den Tag nicht vor dein Abend loben, und ich bin noch gar nicht sicher, daß die das Ungeheuer umlagernde, Unglück erharrende Neugier absolut leer ausgehen werde Nicht um einer zu erwartenden Katastrophe, . . . weiter lesen

Der Verkehr

Der Verkehr ist in Deutschland zu einer nationalen Zwangsvorstellung geworden. Zunächst sind die deutschen Städter auf ihren Verkehr stolz. Ich habe nie ergründen können, aus welchem Grunde. Krach auf den Straßen, Staub und viele Autos sind die Begleiterscheinung eines Städtebaues, der mit den neuen Formen nicht fertig wird – wie kann man darauf stolz sein? Es ist wohl so, dass sich der einzelne als irgend etwas fühlen muß – der soziale Geltungsdrang, an so vielen Stellen abgestoppt, gebremst, zunichte gemacht, findet hier sein Ventil und dringt zischend ins Freie. »Was sagen Sie zu dem Verkehr bei uns –?« Da sagen wir denn also, dass er überall in Deutschland, ohne jede Ausnahme, viel kleiner ist als etwa der in Paris – die . . . weiter lesen

Den Neckar runter

  Als un­ser Gast­wirt mit­krieg­te, dass ich und mei­ne Be­glei­ter Künst­ler wa­ren, stieg un­se­re klei­ne Ge­sell­schaft merk­lich in sei­nem An­se­hen. Und wir stie­gen noch hö­her, als er er­fuhr, dass wir uns auf ei­ner Wan­der­tour durch Eu­ro­pa be­fan­den. Er er­zähl­te uns al­les über die Stra­ße nach Hei­del­berg, und wel­che Plät­ze man am bes­ten mei­den und wel­che man am bes­ten auf­su­chen soll­te; er fuhr ein aus­ge­zeich­ne­tes Früh­stück für uns auf und füg­te ihm noch ei­ne Men­ge hell­grü­ne Pflau­men, der wohl­sch­me­ckends­ten Frucht Deutsch­lands, hin­zu. Er war so sehr dar­auf be­dacht, uns die Eh­re zu er­wei­sen, dass er uns nicht er­lau­ben woll­te, Heil­bronn zu Fuß zu ver­las­sen, . . . weiter lesen

Die Sorgen mit den Unterseekabeln

Die erfolgreiche Anwendung der mit Guttapercha umpreßten Kupferdrähte zu unterirdischen Leitungen legte es nahe, dieselben auch zu unterseeischen Telegraphenleitungen zu benutzen. Daß Seewasser keinen nachtheiligen Einfluß auf die Guttapercha ausübte, hatten die bei den Minenanlagen im Kieler Hafen benutzten isolirten Leitungen bewiesen, die nach Verlauf von zwei Jahren noch ganz unverändert waren. Den ersten Versuch einer Verbindung zweier Meeresküsten durch Guttaperchaleitungen machte schon im Jahre 1850 Mr. Brett, der sich eine Concession für eine submarine Telegraphenverbindung zwischen Dover und Calais hatte ertheilen lassen. Die von ihm gelegte, unbeschützte Leitung hielt, wie zu erwarten war, nicht viel länger als die Zeit der Legung, . . . weiter lesen

Abenteuer Telegraphie

Dort waren inzwischen große Veränderungen eingetreten. Die militärische Commission für die Einführung der elektrischen Telegraphen war auch formell aufgelöst und die Telegraphie dem neugeschaffenen Handelsministerium unterstellt. Zum Leiter dieser Abtheilung war ein Regierungsassessor Nottebohm ernannt, der bereits in der Telegraphencommission einen Verwaltungsposten bekleidet hatte. Es war der Entschluß gefaßt, auf dem von der Commission betretenen Wege fortzuschreiten und zunächst in aller Eile eine unterirdische Leitung von Berlin nach Frankfurt a. M., wo die deutsche Nationalversammlung tagte, erbauen zu lassen. In Folge dessen gelangte an mich die Anfrage, ob ich geneigt sei, den Bau dieser Linie nach den von mir der Commission gemachten Vorschlägen . . . weiter lesen

Leben auf dem Mississippi – Was ein Lotse braucht

Ich schweife aber von meinem Vorsatz ab, einige besondere Erfordernisse der Lotsenwissenschaft klarer zu machen, als vielleicht aus den vorhergehenden Artikeln ersichtlich ist. Da ist vor allem eine Fähigkeit, die ein Lotse unaufhörlich pflegen muß, bis er es darin zu absoluter Vollkommenheit gebracht hat: nur die Vollkommenheit genügt. Diese Fähigkeit ist das Gedächtnis. Er darf sich nicht damit begnügen, daß er bloß denkt, ein Ding ist so und so; er muß es wissen, denn das Lotsen ist in hohem Grade eine ›exakte‹ Wissenschaft. Mit welcher Verachtung wurde doch in den alten Zeiten ein Lotse angeschaut, wenn er es je wagte, sich der schwachen Redensart ›Ich denke‹ zu bedienen, statt der kräftigen ›Ich weiß!‹ Man kann sich . . . weiter lesen

Pony-Express

Gleich nach­her rich­te­te sich all un­ser Sin­nen und Trach­ten dar­auf, mit lang­ge­streck­tem Hal­se nach dem ›Po­ny­rei­ter‹  aus­zu­schau­en, dem Eil­bo­ten, der mit der Brief­post in acht Ta­gen neun­zehn­hun­dert Mei­len weit über den Kon­ti­nent von St. Jo­seph bis nach Sa­kra­men­to da­hin­jag­te! Man stel­le sich die­se Leis­tung vor für Pferd und Rei­ter von Fleisch und Blut! Der Po­ny­rei­ter war meist ein leib­ar­mes Männ­chen, da­bei aber voll höchs­ter Kühn­heit und Aus­dau­er. Ei­ner­lei, zu wel­cher Ta­ges- oder Nacht­zeit sein Dienst an ihn her­an­trat, und ei­ner­lei, ob es Win­ter war oder Som­mer, ob es reg­ne­te, schnei­te oder ha­gel­te, ob sein ›Strich‹ ihn auf ebe­ner ge­ra­der Stra­ße . . . weiter lesen