Als Newton der Apfel auf die Birne fiel …

. . . tat das erst mal ganz schön weh. Und als der Schmerz nachließ, und die Geisteskräfte langsam wieder zurückkehrten, dachte Newton: Was war das gerade? – Ein Apfel fällt vom Baum. Natürlich. Aber warum fällt er? Warum fällt alles auf der Welt? Und immer nur nach unten? Und nie nach oben? Oder zur Seite? Oder nach vorne oder nach hinten? Was ist da los? Hmhm. Der Apfel fällt also. Nach unten. Immer nur nach unten, nie anderswohin. Will er das? Hmhm. Oder zieht vielleicht etwas an ihm? – Ich war es nicht. Und ich habe auch niemand anderen gesehen. Also: Hmhm. Hmhm. Hmhm. Es muss unsichtbar sein. Hmhm. Unsichtbar und ziehend. Nach unten ziehend. Hmhm. Wenn ich ihn (den Apfel) würfe, dann flöge er. Von mir weg. Für einen seitlichen Betrachter von links nach rechts . . . weiter lesen

Das Automobil

»Sie erinnern sich meiner wohl gar nicht mehr, Herr Professor!? Zimt ist mein Name, Tarquinus Zimt; vor wenigen Jahren noch war ich Ihr Schüler in Physik und Mathematik –« Der Gelehrte drehte die Visitenkarte unschlüssig hin und her und heuchelte verlegen eine Miene des Wiedererkennens. »– und da ich gerade durch Greifswald komme, wollte ich die Gelegenheit, Ihnen einen Besuch abstatten zu können, nicht versäumen –« (Einige Minuten verstrichen in peinlichem Stillschweigen.) »– – ehüm – – – nicht versäumen ...« Mißbilligend musterte der Professor den Lederanzug des jungen Mannes. »Sie sind wohl Walfischfänger?« fragte er mit leisem Spott und tippte seinem Besuch auf den Ärmel. »Nein, Automobilist; ich selbst habe die bekannte Automobilmarke ›Zimt‹ . . . weiter lesen

Die Volksverbesserer oder: Im Schweiße eines Amtsgerichts

Man schrieb und sprach in der letzten Zeit vieles über unseren Richterstand. Die Frage, ob von uneigentlicher Bestechlichkeit bei eigentlicher Unbestechlichkeit überhaupt gesprochen werden könne, wurde von einem hohen Ministerium dahin beantwortet, daß dies jedenfalls nicht geschehen dürfe. Diese Behandlung des kitzlichen Themas ist ebenso erschöpfend als maßgebend, und ich finde die hierin niedergelegte Ansicht um so erquicklicher, als sie sich vollständig mit der meinigen deckt. Ich habe stets unsere Richter bewundert, weil sie über alle Dinge mit der gleichen Sachkenntnis urteilen und nicht selten gerade das finden, an was niemand dachte. Dabei geht unverkennbar ein großer Zug durch unsere Rechtsprechung; man hat wirklich die Absicht, die niederen Volksschichten zu bessern . . . weiter lesen

Duelle

  I. Das deutsche Studentenduell.   Eines Tages erhielt mein Geschäftsträger im Interesse der Wissenschaft die Erlaubnis, mich in das Pauklokal an der Hirschgasse mitzunehmen, wo die Heidelberger Korps ihre Mensuren ausfechten: ein heller, hoher, geräumiger Saal im ersten Stockwerk des idyllisch gelegenen altberühmten Wirtshauses »zum Hirschen«. Wir trafen daselbst etwa 50–75 Musensöhne, die sich an den langen längs der Wände aufgestellten Tischen die Zeit bis zum Beginn der Paukerei mit Kneipen, Karten- oder Schachspiel, Schwatzen und Rauchen vertrieben. Man sah fast nur farbige Mützen: Weiße, grüne, blaue, rote und hellgelbe; es waren mithin sämtliche fünf Korps stattlich vertreten. Am einen Ende des Saales war für die Paukerei ein Stück frei gelassen, und hier . . . weiter lesen

Auch ich war in Arkadien!

Da säß ich denn glücklich wieder hinter meinem Pulte, um dir meinen Reisebericht abzustatten. Es ist mir aber auf dieser Reise so viel Wunderliches begegnet, daß ich in der Tat nicht recht weiß, wo ich anfangen soll. Am besten, ich hebe, wie die Rosine aus dem Kuchen, ohne weiteres sogleich das Hauptabenteuer für dich aus. Du weißt, ich lebte seit langer Zeit fast wie ein Einsiedler und habe von der Welt und ihrer Julirevolution leider wenig Notiz genommen. Als ich meinen letzten Ausflug machte, war eben die Deutschheit aufgekommen und stand in ihrer dicksten Blüte. Ich kehrte daher auch diesmal nach Möglichkeit das Deutsche heraus, ja ich hatte mein gescheiteltes Haar, wie Albrecht Dürer, schlicht herabwachsen lassen und mir bei meinem Schneider, nicht ohne gründliche historische . . . weiter lesen

Der neudeutsche Stil

„Ah – die Herren sprechen geistreich aus dem Munde?“ Käthe Erlholz Leser mit einem ausrasierten Vollbart besinnen sich vielleicht auf Leo Berg, den ungewöhnlich gebildeten und begabten Kritiker aus dem Anfang des Jahrhunderts, der unter anderm einen grimmen Kampf mit Wilhelm Bölsche, dem Pächter des Liebeslebens in der Natur, geführt hat. Dem warf er rechtens neben der Verlogenheit seiner Embryonal- und Ei-Lyrik auch seinen Stil vor, oder vielmehr: natürlich seinen Stil vor, da ja eins aus dem andern, der Stil aus der Gesinnung hervorgegangen war. Beschäftigt man sich heute mit vergilbten Büchern und Tagesbroschüren des fin de siècle, so muten einen die Terminologie, das Vokabularium, die Ausdrucksweise unsäglich komisch an. Kunst . . . weiter lesen

Der Hund als Untergebener

„Und der Dackel Männe hatte alle zu Vorgesetzten“, steht in Heinrich Manns ‚Untertan‘ von der deutschen Familie. Hast du einmal den deutschen Bürgersmann beobachtet (und ganz besonders die deutsche Bürgersfrau), was sie auf der Straße alles mit ihrem Hund angeben? Es scheint wirklich so, als ob die meisten Menschen hierzulande einen Hund nur deshalb besäßen, um noch Einen „unter sich zu haben“. Bedrückt von Wohnungsamt, Polizeirevier, Hauswirt, Kolonialwarenhändler, Außenhandelsnebenstelle, Finanzamt und ähnlichen Versorgungsanstalten benötigt die mannhafte deutsche Seele einen Sklaven, um die Superiorität ihrer Herrenrasse darzutun. „Komm mal her! Kommst du gleich her! Willst du mal gleich herkommen! Lumpi! Lump! Lumpichen! . . . weiter lesen

Die Inseln

  Die Deutschen leben auf den Sporaden, jeder auf seiner, und wenns gut geht, sitzen auf einer hundert, auf einer tausend Mann. Getrennt sind diese Inseln und Inselchen voneinander, kein Ruf hallt über die Meeresfläche, keine Brücke überquert den Flußarm; nur manchmal saust ein Pfeil hinüber und herüber, knallt ein Schuß, hallen ein paar scheltende Stimmen von Eiland zu Eiland, wo hinter wohlgebauten Wehren die Männerchen sitzen und nur dem lieben Gott unterstellt sind; denn das Wesentliche an einem guten Menschen ist der Zaun. Auch der Krieg hat da nichts geholfen. Da sind sie nun zusammengekommen, das ganze Volk, die Telegrafenbausekretäre und die Hühneraugenoperateure und die Schriftsteller und die Buchhalter und die Fräser . . . weiter lesen

Neue Wunder der Technik

1. Der Sprengstoff Krakataua. Bei Moltke liess sich ein junger Mann anmelden, und da ihm gewichtige Empfehlungen zur Seite standen, wurde er zu einer geheimen Besprechung vorgelassen. Er zog eine kleine Schachtel aus der Westentasche, legte sie auf den Tisch und sprach: »Der Inhalt dieser Schachtel genügt vollständig das Generalstabsgebäude, das Krollsche Etablissement, die Siegessäule und noch einige Kleinigkeiten in die Luft zu sprengen.« Moltke schwieg. Der junge Mann öffnete die Schachtel; sie enthielt kleine runde Pillen. Er nahm eines dieser Kügelchen zwischen Daumen und Zeigefinger und sprach: »Eine einzige solcher Pillen zersprengt jeden Eisenbahn-Fahrdamm. Legt man auf die grösste Kanone einen dieser kleinen Körper und entzündet . . . weiter lesen

Allerlei neue Vereine

Durch Zufall erfuhr ich vor Kurzem von der Existenz zweier neuer Vereine in Berlin, dem »Verein ehemaliger Selbstmörder« und dem »Verein geheilter Pockenkranker«. Diese Beispiele erschienen mir bemerkenswerth für die allgemeine Sucht unserer Zeit, sich zusammenzuthun, und lenkten meine Aufmerksamkeit auf diese Erscheinungen. Es gelang mir im Laufe einiger Wochen eine grosse Anzahl von neuen Vereinen zu entdecken, die, wie ich annehmen darf, dem grossen Publikum mehr oder weniger unbekannt sind. Es mag genügen, wenn ich hier nur einige der bemerkenswerthesten aufzähle. 1. Freie Vereinigung der Sonnenbrüder. Die Sonnenbrüder sind wie schon ihr Name andeutet, Sonnenanbeter. Deshalb finden auch ihre Zusammenkünfte auf grossen freien Plätzen oder ähnlichen Orten statt, die der . . . weiter lesen