Weihnachtslied – Eine Gespenstergeschichte

Erste Strophe Marleys Geist Marley war tot, damit wollen wir anfangen. Kein Zweifel kann darüber bestehen. Der Schein über seine Beerdigung ward unterschrieben von dem Geistlichen, dem Küster, dem Leichenbestatter und den vornehmsten Leidtragenden. Scrooge unterschrieb ihn, und Scrooges Name wurde auf der Börse respektiert, wo er ihn nur hinschrieb. Der alte Marley war so tot wie ein Türnagel. Versteht mich recht! Ich will nicht etwa sagen, daß ein Türnagel etwas besonders Totes für mich hätte. Ich selbst möchte fast zu der Meinung neigen, daß das toteste Stück Eisen auf der Welt ein Sargnagel sei. Aber die Weisheit unsrer Altvordern liegt in den Gleichnissen, und meine unheiligen Hände sollen sie dort nicht stören, sonst wäre es um das Vaterland geschehen. Man wird mir also . . . weiter lesen

Die Omnibusse

Allgemein wird anerkannt, daß die öffentlichen Fuhrwerke ein weites Feld für Unterhaltung und Beobachtung bieten. Von allen öffentlichen Fuhrwerken oder Transportmitteln überhaupt, die seit den Tagen der Arche Noah – doch wohl des frühesten, von dem man weiß – bis auf die Gegenwart erbaut worden sind, loben wir uns einen Omnibus. Eine Diligence ist nicht zu verachten, hat jedoch nur sechs Innenplätze und bietet keine Veränderung, keine Mannigfaltigkeit dar, denn in der Regel machen dieselben Leute die ganze Reise mit uns, werden außerdem nach den ersten zwölf bis fünfzehn Stunden einsilbig und schläfrig, und hat man jemand in seiner Nachtmütze gesehen, so verliert man allen Respekt vor ihm – was wenigstens bei uns der Fall ist. Weiter werden die Leute auf guten, ebenen . . . weiter lesen

Öffentliche Diners

Die öffentlichen Diners in London, von des Bürgermeisters alljährlichem Bankett zu Guildhall bis zur Schornsteinfegerjahresfeier zu White Conduit House – von den Gastmählern der Sheriffs oder Goldarbeiter bis zu denen der patentierten Viktualienhändler oder Fleischer – bieten ohne Ausnahme unterhaltende Szenen. Am unterhaltendsten von allen Ergötzlichkeiten dieser Art ist wahrscheinlich das alljährliche Diner einer Wohltätigkeitsgesellschaft. Bei einem solchen sind die Teilnehmenden einander ziemlich gleich – Leute, die jederzeit Stich halten und den Schmaus zu einer ernsthaften Geschäftssache machen, wobei nichts zu lachen ist. Bei einem politischen Gelage ist jedermann unangenehm und geneigt, lange Reden zu halten, was beiläufig gesagt ziemlich ein und dasselbe ist; wogegen . . . weiter lesen

Londoner Skizzen: Die Straßen am Morgen

Das Aussehen der Londoner Straßen vor Sonnenaufgang an einem Sommermorgen fällt sogar den wenigen in hohem Maße auf, die, weil sie bei ihren Vergnügungen oder ihren Geschäftsunternehmungen unglücklich waren, sehr wohl damit bekannt sind. Es macht einen ganz besonderen Eindruck, die geräuschlosen Straßen, von denen wir gewohnt sind, daß sie zu anderen Zeiten von einer geschäftigen, wogenden Menschenmenge erfüllt sind, so nüchtern, einsam und verödet und die Häuser so still und dicht verschlossen zu sehen, die bei Tag einen äußerst belebten Anblick darbieten. Der letzte Zechbruder, der noch im Dunkel seinen Weg nach Hause fand, ist soeben mit schweren Gliedern, von Zeit zu Zeit den Refrain eines Trinkliedes der durchschwärmten Nacht grölend, entlanggetaumelt; der letzte obdachlose . . . weiter lesen

Charaktere – Gedanken über Leute und Leutchen

Es ist merkwürdig, wie gänzlich unbeachtet man leben und sterben kann in London. Wirklich gibt es Unzählige in der großen Hauptstadt, die keinerlei Sympathie auch nur in eines einzigen Brust erwecken; an deren Dasein niemand ein Interesse nimmt, außer ihnen selbst; von denen sich nicht sagen läßt, sie würden vergessen nach ihrem Tode, weil bei ihrem Leben keine Seele an sie gedacht hat; die nicht einen einzigen Freund besitzen, und um die sich niemand, wirklich gar niemand kümmert. Gebieterische Notwendigkeit zwang sie, nach London zu gehen, um Beschäftigung und die Mittel zu ihrem Lebensunterhalt zu suchen. Es ist schmerzlich, die Bande zu zerreißen, die uns mit unserer Heimat und unsern Angehörigen und Freunden verbinden, und noch schmerzlicher, die tausend Erinnerungen glücklicher . . . weiter lesen

Läden und deren Inhaber

Welch unerschöpflichen Stoff für Betrachtungen bieten die Straßen der Hauptstadt! Mit Recht bemitleidete Sterne den Mann, der von Dan nach Berseba reisen und sprechen konnte, es sei alles wüst; noch zehnmal bemitleidenswerter aber ist der, der Hut und Stock nehmen, von Covent-Garden nach dem St.-Pauls-Kirchhof und wieder zurückwandern kann, ohne seiner Wanderung Unterhaltung – wir hätten fast gesagt: Belehrung – zu verdanken. Und doch gibt es so Stumpfsinnige; wir begegnen ihnen tagtäglich. Hohe schwarze Halsbinden und helle Westen, zierliche Spazierstöcke und mißvergnügte Mienen sind die besonderen Merkzeichen ihres Geschlechts. Andere eilen rasch an uns vorüber, sei es, daß sie heute wie gestern und alle Tage ihre Geschäfte verfolgen oder frohsinnig dem Vergnügen nachjagen. . . . weiter lesen

Unser Kirchspiel

Wieviel sagen die kurzen Worte: »Das Kirchspiel!« und an wieviel Kummer und Elend, entschwundenes Glück und vereitelte Hoffnungen, nur zu oft ungemilderte Leiden, nur zu oft erfolgreiche Büberei erinnern sie! Ein armer Mann bringt es, bei geringem Verdienst und einer großen Familie, gerade so weit, aus der Hand in den Mund und aus einem Tage in den andern zu leben; nur mit Mühe gelingt es ihm, den Bedürfnissen des Augenblicks zuvorzukommen – an die Zukunft kann er nicht denken. Er bleibt mit seinen Steuern ein, zwei, drei Vierteljahre im Rückstand; er wird vor das Kirchspiel geladen. Seine Habseligkeiten werden verkauft, seine Kinder weinen vor Hunger und Kälte, selbst das Bett wird ihm genommen, in dem sein krankes Weib liegt. Was kann er anfangen? Wohin soll er sich um Hilfe . . . weiter lesen

The Signal-Man

demnächst in deutscher Übersetzung verfügbar “HALLOA! Below there!” When he heard a voice thus calling to him, he was standing at the door of his box, with a flag in his hand, furled round its short pole. One would have thought, considering the nature of the ground, that he could not have doubted from what quarter the voice came; but instead of looking up to where I stood on the top of the steep cutting nearly over his head, he turned himself about, and looked down the Line. There was something remarkable in his manner of doing so, though I could not have said for my life what. But I know it was remarkable enough to attract my notice, even though his figure was foreshortened and shadowed, down in the deep trench, and mine was high above him, so steeped in the glow of an angry . . . weiter lesen

Londoner Skizzen: Die Morgenpostkutschen

  Wir haben oft darüber nachgesonnen, wie viele Monate unaufhörlichen Reisens in einer Postchaise wohl dazu gehören möchten, jemand vom Leben zum Tode zu bringen; und ebenso möchten wir wohl wissen, wie viele Monate beständigen Reisens nur in Morgenpostkutschen ein unglücklicher Sterblicher wohl aushalten könnte. Lebendig gerädert zu werden ist nichts dagegen, auf vier Rädern nicht nur seine Glieder, sondern auch seine Ruhe und seinen Frieden rädern zu lassen, wogegen wiederum die Strafe des Ixion (beiläufig das einzige praktische Individuum, das das Geheimnis der unterbrochenen Bewegung entdeckt hat) zu vollkommener Bedeutungslosigkeit schwindet. Wären wir ein mächtiger Kirchenfürst in jenen guten alten Zeiten . . . weiter lesen

Londoner Skizzen: Der Strom

  »Lieben Sie das Wasser?« ist eine Frage, die man in den heißen Sommertagen sehr häufig von amphibisch aussehenden jungen Leuten hört. »Sehr«, pflegt die Antwort zu sein. »Und Sie?« – »Kann mich kaum davon trennen«, lautet die von verschiedenen, des Sprechers tiefgefühlte Bewunderung für das Element ausdrückenden Beiwörtern begleitete Antwort.   Allein, mit allem Respekt vor der Meinung der Gesellschaft im allgemeinen und der Segelklubs im besonderen, möchten wir doch bescheidentlich daran erinnern, daß einige der schmerzlichsten Erinnerungen aller, die sich bisweilen auf der Themse ergötzt haben, ohne Frage mit den Vergnügungen dieser Art verknüpft sind. Wer hat je . . . weiter lesen

Londoner Vergnügungen und Ergötzlichkeiten

  Die Sucht der niedrigeren Klassen, die Manieren und das Tun und Treiben derer nachzuäffen, die vom Glück über sie erhoben sind, ist häufig ein Gegenstand der Besprechung und nicht selten der Klage. Sie ist unter den Klein-Vornehmen – den Möchtegern-Aristokraten – der Mittelklassen ohne Zweifel, und zwar in bedeutendem Maße, vorhanden. Erwerbsleute und Schreiber mit romanlesenden Familien und ästhetischen Töchtern veranstalten Tavernen-Gesellschaften und promenieren in dem schmutzigen »Saal« eines Gasthauses zweiter Klasse nicht minder wohlgefällig auf und ab als die beneideten wenigen, die das Vorrecht besitzen, an jenem exklusiven Sammelplatz der Mode, Vornehmheit und Torheit ihren Glanz und Schimmer zur Schau zu stellen. . . . weiter lesen

Londoner Skizzen: Scotland-Yard

Scotland-Yard  ist ein kleiner – sehr kleiner Strich Landes, an der einen Seite vom Themsestrome und an der andern von den Gärten des Northumberlandhauses begrenzt; er stößt am einen Ende an die Northumberlandstraße und am anderen an die Rückseite des Whitehallplatzes. Als dieses Territorium vor einigen Jahren zuerst von einem Gentleman vom Lande, der am Strande den Weg verlor, zufällig entdeckt wurde, waren die Ur-Ansiedler ein Schneider, ein Gastwirt, zwei Besitzer von Speisehäusern, ein Obstpastetenbäcker und ein Schlag starker, breitschultriger Männer, die sich regelmäßig jeden Morgen um fünf oder sechs Uhr nach den Werften in Scotland-Yard begaben, um schwerfällige Wagen, die sie jahraus, jahrein im Lande umherfuhren, . . . weiter lesen

Londoner Skizzen: Die Mietskutschenstände

Wir behaupten, daß die Mietskutschen – im eigentlichen Sinne – der Hauptstadt allein eigentümlich sind. Man wird uns einwenden, es gebe auch in Edinburgh, Liverpool, Manchester und anderen großen Städten Mietskutschenstände. Wir gestehen den genannten Städten gern den Besitz gewisser Fuhrwerke zu, die fast ebenso unsauber aussehen und sich fast ebenso langsam von der Stelle bewegen mögen als die Londoner Mietskutschen: stellen aber mit Unwillen in Abrede, daß sie auch nur den mindesten Anspruch erheben können, sich mit den Londonern in Beziehung auf Stände, Kutschen oder Pferde zu vergleichen. Betrachten wir eine gewöhnliche, rumpelkastige und baufällige Londoner Mietskutsche von der alten Art: Wer möchte dann wohl so kühn sein wollen, zu behaupten, daß er jemals auf . . . weiter lesen