Monte Video

Drittes Kapitel.  Juli 1832 — Am Morgen lichteten wir die Anker und verließen den schönen Hafen von Rio Janeiro. Auf unserer Fahrt nach dem Plata ereignete sich nichts Besonderes, ausgenommen, daß wir eines Tages eine große mehrere Hunderte zählende Heerde von Delphinen sahen. Das Meer war stellenweise von ihnen durchfurcht und es war ein außerordentliches Schauspiel, als Hunderte von ihnen das Wasser durchschnitten, wobei sie solche Sprünge machten, daß ihr ganzer Körper außerhalb des Wassers war. Das Schiff ging mit einer Schnelligkeit von neun Knoten und doch keuzten diese Thiere am Vordertheile hin und her und eilten dann plötzlich dem Schiffe voraus. Sobald wir in den Bereich der Mündung des Plata kamen, wurde das Wetter sehr veränderlich. In einer dunkeln Nacht waren wir von zahllosen Robben und Pinguinen umgeben, die so fremdartige Töne von sich gaben, daß der wachehabende Offizier berichtete, er höre das Blöken der Viehheerden am Ufer. In einer anderen Nacht sahen wir ein natürliches Feuerwerk; die Spitze des Mastes und die Enden der Segelstangen erglänzten vom Sct. Elmo’s Feuer; und man konnte die Form der Windfahne verfolgen, als wenn sie mit Phosphor gerieben worden wäre. Die See war so leuchtend, daß die Pinguinen eine feurige Spur zurückließen, und endlich wurde das Dunkel des Himmels auf Augenblicke von dem lebhaftesten Blitzen erleuchtet. In der Mündung des Flusses beobachtete ich mit großem Interesse wie langsam das Wasser des Meeres und des Flusses sich mischten. Das letztere war schlammig und trübe und erhielt sich wegen seiner geringeren specifischen Schwere auf der Oberfläche des Seewassers. Dies zeigte sich besonders in der Spur des Schiffes, wo ein blauer Streif sich in kleinen Wirbeln mit der benachbarten Flüssigkeit mischte.
26. Juli. – Wir ankerten in Monte Video. Während der zwei folgenden Jahre wurde unser Schiff verwandt, die äußerste Süd- und Ostküste von Amerika, südlich von dem Plata, aufzunehmen. Um nicht unnöthig zu wiederholen, will ich die Theile meines Tagebuchs ausziehen, die sich auf die nämliche Gegend beziehen, ohne mich nach der Zeit unseres Besuches zu richten.
Maldonado liegt am nördlichen Ufer des Plata, und nicht weit von der Mündung seines Beckens Es ist eine kleine ruhige und einsame Stadt, die Straßen durchschneiden sich in rechten Winkeln, wie es gewöhnlich in diesen Ländern der Fall ist, und haben in der Mitte einen großen Platz oder Viereck, dessen Größe den Mangel an Einwohnern um so fühlbarer und ungeselliger macht. Die Stadt hat kaum etwas Handel, da die Ausfuhr nur in einigen Häuten und Vieh besteht. Die Einwohner sind hauptsächlich Landbesitzer nebst einigen Krämern und den nöthigsten Handwerkern, wie Schmiede und Schreiner, die alle Geschäfte auf einen Umkreis von fünfzig Meilen besorgen. Die Stadt ist von dem Flusse durch eine Reihe von Sandhügeln getrennt, die ungefähr eine Meile breit sind: von allen anderen Seiten ist sie von einer offenen etwas wellenförmigen Landschaft umgeben, die von einem gleichförmigen grünen Rasen bedeckt ist, auf dem zahllose Heerden von Rindvieh, Schafen und Pferden grasen. Selbst nahe bei der Stadt giebt es nur sehr wenig bebautes Land. Einige Cactus- und Agave-Hecken deuten an, wo etwas Waizen oder Mais gepflanzt worden ist. Sehr ähnlich ist der Anblick des Landes längs des ganzen nördlichen Ufers des Plata. Der einzige Unterschied ist der, daß hier die granitischen Hügel etwas kühnere Formen besitzen. Die Landschaft ist sehr uninteressant und doch ist es ein eigenes freudiges Gefühl auf grenzenlosen Gras-Ebenen zu wandeln, wenn man eine Zeitlang in ein Schiff eingepfercht war. Und selbst wenn der Blick auf einen kleineren Raum beschränkt ist, giebt es viele schöne Gegenstände. Einige kleinere Vögel haben glänzendes Gefieder: und der hellgrüne Rasen, wenn er von dem Rindvieh abgegrast ist, schmückt sich mit zwerghaften Blumen, von denen eine wie ein Gänseblümchen aussieht und wie ein alter Freund erschien. Was würde ein Blumenliebhaber zu großen Strecken sagen, die so dick mit Verbena melindris bedeckt sind, daß das Ganze selbst in der Entfernung von dem feurigsten Scharlach erscheint?
Ich blieb zehn Wochen in Maldonado und verschaffte mir während dieser Zeit eine fast vollständige Sammlung der Säugethiere, Vögel und Reptilien. Ehe ich einige Beobachtungen darüber mittheile, will ich einen kleinen Ausflug erzählen, den ich bis an den Fluß Polanco in einer nördlichen Richtung machte. Als einen Beweis, wie wohlfeil Alles in diesem Lande ist, will ich erwähnen, daß ich zwei Thaler täglich für zwei Männer und einen Trupp von ungefähr einem Dutzend Reitpferden bezahlte. Meine Begleiter waren gut mit Pistolen und Säbeln bewaffnet, eine Vorsicht, die ich für unnöthig hielt: aber die erste Neuigkeit, die ich hörte, war, daß am Tage vorher ein Reisender aus Monte Video ermordet auf der Straße gefunden worden war. Dies hatte nahe bei einem Kreuze stattgefunden, das zum Gedächtniß eines früheren Mordes gesetzt worden war.
In der ersten Nacht schliefen wir in einem abgelegenen kleinen Landhause; und dort fand sich bald, daß ich zwei oder drei Dinge besaß, vor Allem einen Taschencompaß, die ein unbegrenztes Erstaunen erregten. In jedem Hause bat man mich, den Compaß zu zeigen, und mit seiner Hülfe auf einer Karte die Richtung der verschiedenen Plätze anzudeuten. Es war höchst wunderbar, daß ich als ein vollkommen Fremder, den Weg nach Plätzen kennen sollte (denn Richtung und Weg sind in diesem offenen Lande gleichbedeutend), wo ich nie gewesen war. In einem Hause ließ mir eine junge Frau, die krank im Bette lag, sagen, daß ich kommen und ihr den Compaß zeigen sollte. War ihr Erstaunen groß, so war das meinige noch größer, eine solche Unwissenheit unter Leuten zu finden, die Tausende Stück Vieh und »Estancias« von bedeutender Größe besaßen. Ich kann mir dies nur durch den Umstand erklären, daß dieser abgelegene Theil des Landes selten von Fremden besucht wird. Man fragte mich, ob die Erde oder die Sonne sich bewege; ob es heißer oder kälter nach Norden sei; wo Spanien läge und manche andere Fragen der Art.
Die größere Zahl der Einwohner hatte eine dunkle Vorstellung, daß England, London und Nordamerika verschiedene Namen für denselben Platz wären; aber die besser Unterrichteten wußten recht gut, daß London und Nordamerika verschiedene nahe zusammenliegende Länder waren, und daß England eine große Stadt in London war! Ich hatte einige promethische Feuerzeuge mit mir, die ich durch Beißen ansteckte: man hielt es für so wunderbar, daß ein Mensch Feuer mit seinen Zähnen anschlug, daß gewöhnlich die ganze Familie sich versammelte um es zu sehen; einmal bot man mir einen Thaler für ein einziges. Daß ich mein Gesicht am Morgen wusch, verursachte viel Speculation in dem Dorfe Las Minas; ein vornehmer Kaufmann fragte mich über die Ursache eines so sonderbaren Gebrauchs aus; und ebenso, warum wir am Bord unseren Bart trügen, was ihm der Führer gesagt hatte. Er betrachtete mich mit großem Mißtrauen; wahrscheinlich hatte er von den Waschungen in der Religion Mohameds gehört, und da er wußte, daß ich ein Ketzer war, kam er vielleicht zum Schluß, daß alle Ketzer Türken seien. Es ist der allgemeine Gebrauch in diesem Lande, am ersten besten Hause ein Nachtlager zu verlangen. Das Erstaunen über meinen Compaß und andere Hexenkünste waren mir zu einem gewissen Grade von Vortheil, da ich damit, sowie mit den langen Geschichten, die meine Führer erzählten, daß ich Steine zerschlüge und giftige Schlangen von harmlosen unterscheiden könne, Insekten sammle u.s.w., ihre Hospitalität vergalt. Ich schreibe, als ob ich unter den Einwohnern von dem innern Afrika gewesen wäre; Banda Oriental würde sich nicht durch die Vergleichung geschmeichelt finden, aber solches waren damals die empfangenen Eindrücke.
Am nächsten Tage ritten wir nach dem Dorfe Las Minas. Das Land war etwas mehr hügellicht, blieb aber sonst dasselbe; ein Einwohner der Pampas würde es ohne Zweifel für ein wahres Alpenland gehalten haben. Es ist so sparsam bevölkert, daß wir während des ganzen Tages kaum eine einzige Person sahen. Las Minas ist noch viel kleiner als Maldonado. Es liegt auf einer kleinen Ebene und ist von niedrigen felsigen Bergen umgeben. Es hat die gewöhnliche symmetrische Bauart und sah mit seiner weißen Kirche in dem Mittelpunkte recht hübsch aus. Die Häuser in der Umgebung erhoben sich aus der Ebene gleich einsamen Wesen ohne von Gärten oder Höfen umgeben zu sein. Dies ist gewöhnlich in dem Lande der Fall und alle Häuser haben deßhalb einen unbehaglichen Anblick. Während der Nacht blieben wir in einer Pulperia oder Wirthshaus. Am Abend kamen eine große Menge Gauchos herein, um Branntewein zu trinken und Cigarren zu rauchen; ihr Aussehen ist sehr auffallend, sie sind gewöhnlich groß gebaut und schön, aber mit stolzen, abschreckenden Gesichtszügen. Sie tragen häufig Schnurrbärte und ihr langes schwarzes Haar hängt lockig den Rücken herunter. Mit ihren hellen farbigen Gewändern, großen klingenden Sporen an ihren Füßen und Messer wie Dolche (die auch oft so gebraucht werden), in ihrem Gürtel steckend, erscheinen sie eine ganz andere Menschenrace als ihr Name Gauchos oder einfache Landleute erwarten läßt. Ihre Höflichkeit ist ausnehmend, sie trinken nie ihren Branntewein ohne zu erwarten, daß man ihn koste; aber während sie ihre ausnehmend graziöse Verbeugung machen, scheinen sie ganz bei der Hand, einem auch gelegentlich die Kehle abzuschneiden.
Am dritten Tage verfolgten wir einen etwas unregelmäßigen Weg, da ich mich mit dem Untersuchen einiger Marmor-Formationen beschäftigte. Auf den schönen Gras-Ebenen sahen wir viele Strauße (Strutio Rhea). Einige Heerden enthielten zwanzig bis dreißig Vögel. Wenn diese auf einer kleinen Anhöhe standen und man ihre Umrisse gegen den klaren Himmel sah, so waren sie eine stattliche Erscheinung. In anderen Theilen des Landes begegnete ich niemals solchen zahmen Straußen; man konnte leicht auf eine geringe Entfernung sich ihnen im Galop nähern, aber dann entfalteten sie ihre Flügel, setzten alle Segel gerade vor den Wind und ließen das Pferd bald im Rücken.
Am Abend kamen wir in das Haus von Don Juan Fuentes, einem reichen Gutsbesitzer, der aber keinem von meinen Begleitern persönlich bekannt war. Wenn man sich dem Hause eines Fremden nähert, so ist es Sitte, mit einer gewissen Etikette zu verfahren: man reitet langsam bis zum Thor giebt den Gruß Ave Maria, und ehe Jemand herauskommt und abzusteigen bittet, ist es nicht gebräuchlich, vom Pferde zu steigen. Hat man das Haus betreten, so wird einige Minuten lang eine allgemeine Unterhaltung geführt, ehe man um Erlaubniß bittet, die Nacht hier zubringen zu dürfen. Dieses wird, wie sich von selbst versteht, bewilligt, der Fremde nimmt dann seine Mahlzeit mit der Familie und bekommt ein Zimmer angewiesen, wo er mit den Decken, die zu seinem Recado (oder dem Sattel der Pampas) gehören, sein Bett macht. Es ist sonderbar, wie gleiche Umstände so gleiche Sitten hervorbringen. Am Vorgebirge der guten Hoffnung wird dieselbe Gastfreundschaft und beinahe dieselbe Etikette allgemein beobachtet. Der Unterschied indessen zwischen dem Charakter des Spaniers und dem des holländischen Bauern zeigt sich darin, daß der erstere niemals seinen Gast eine einzige Frage über die strengste Höflichkeit fragt, während der ehrliche Holländer sich erkundigt, wo er gewesen, wohin er geht, was er für ein Geschäft hat und selbst wieviel Brüder, Schwestern und Kinder er hat.
Kurz nach unserer Ankunft in Don Juans Haus wurde eine jener großen Viehheerden hereingetrieben und drei Stück zum Schlachten herausgesucht. Dieses halbwilde Rindvieh ist sehr scheu, und da es den tödtlichen Lazo wohl kennt, so hatten die Pferde eine lange und mühevolle Jagd. Im Vergleich zum großen Reichthum an Heerden, Menschen und Pferden nahm sich Don Juans Haus höchst sonderbar aus. Die Fluren bestanden aus erhärteter Erde, die Fenster waren ohne Glas, die Möbeln des Hauptzimmers bestanden nur aus wenigen Sesseln und Stühlen und ein Paar Tischen. Das Nachtessen bestand, obgleich mehrere Fremde zugegen waren, aus zwei unermeßlichen Pyramiden, die eine von gebratenem, die andere von gekochtem Rindfleisch, mit einigen Kürbisstücken. Außer dem letzteren gab es kein anderes Gemüse und keinen Bissen Brot. Ein großes irdenes Gefäß mit Wasser diente der ganzen Gesellschaft zum Trinken. Und doch war dieser Mann der Eigenthümer von mehreren Quadratmeilen Landes, von dem fast jeder Acker Getreide und mit etwas Mühe alle gewöhnlichen Gemüse hervorbringen konnte. Der Abend wurde mit Rauchen und Singen aus dem Stegreife hingebracht, das mit der Guitarre begleitet wurde. Die Signoritas saßen alle zusammen in einer Ecke des Zimmers und aßen nicht mit den Männern.
Es sind so viele Werke über diese Länder geschrieben worden, daß es fast überflüssig erscheint, den Lazo oder die Bolas zu beschreiben. Der erstere besteht aus einem sehr starken aber dünnen wohlgeflochtenen Strange von ungegerbter Haut. Das eine Ende ist an den breiten Gurt befestigt, der die verwickelten Theile des Recado oder des in den Pampas gebrauchten Sattels zusammenhält; das andere endigt in einem kleinen Ring von Eisen oder Messing wodurch eine Schlinge gebildet werden kann. Wenn der Gaucho den Lazo gebrauchen will, so behält er einen kleinen Knäuel in der Hand, welche den Zaum hält, mit der andern faßt er die sehr große offene Schlinge, die gewöhnlich acht Fuß im Durchmesser hat. Diese wirbelt er um seinen Kopf herum, und hält durch die kunstfertige Bewegung seines Handgelenks die Schlinge offen, dann schleudert er sie und läßt sie auf jeden beliebigen Platz fallen. Wird der Lazo nicht gebraucht, so wird er in einem kleinen Knäuel an dem hinteren Theile des Recado befestigt. Die Bolas oder Schleuderbälle sind von zweierlei Art: die einfachsten, welche hauptsächlich zum Fangen von Straußen gebraucht wird, besteht aus zwei runden mit Leder bedeckten Steinen, die durch einen dünnen geflochtenen und ungefähr acht Fuß langen Riemen verbunden sind. Die andere Art unterscheidet sich nur dadurch, daß sie drei Bälle hat, die vermittelst des Riemens in einem gemeinsamen Mittelpunkte vereinigt sind. Der Gaucho hält den kleinsten von den dreien in seiner Hand, wirbelt die beiden anderen mehrmals um seinen Kopf, zielt dann und schickt sie, wie eine Kettenkugel, wirbelnd durch die Luft. Sobald die Bälle irgend einen Gegenstand treffen, so winden sie sich um ihn herum, kreuzen sich und werden fest verwickelt. Die Größe und das Gewicht dieser Bälle ist verschieden, je nach dem Zweck, für den sie gemacht sind, sind sie von Stein, wenn auch nicht so groß, als ein dicker Apfel, so werden sie doch mit solcher Kraft geworfen, daß sie zuweilen selbst das Bein eines Pferdes zerbrechen. Ich habe sie von Holz und so groß, wie eine weiße Rübe, gesehen, um diese Thiere ohne Verletzung zu fangen. Bisweilen sind sie von Eisen, und diese, können am weitesten geworfen werden. Die Hauptschwierigkeit in dem Gebrauche des Lazo oder der Bolas besteht darin, so gut zu reiten, daß man in vollem Lauf und während man sich plötzlich wendet, sie stetig um den Kopf herumwirbeln und doch zielen kann; zu Fuß würde Jedermann bald die Kunst lernen. Als ich eines Tages zu meinem Vergnügen galopirte und die Bälle um meinen Kopf herumwirbelte, so traf der freie durch Zufall einen Strauch und da seine drehende Bewegung auf diese Weise gehemmt wurde, fiel er augenblicklich auf die Erde und verwickelte sich, wie durch einen Zauber, um das Hinterbein meines Pferdes. Der andere Ball wurde dann aus meiner Hand geschnellt, und das Pferd war richtig gefangen. Glücklicherweise war es ein altes erfahrenes Thier, sonst würde es wahrscheinlich so lange getreten haben, bis es mich niedergeworfen hätte. Die Gauchos wollten sich todt lachen, sie schrieen, daß sie alle Thierarten, aber nie zuvor einen Mann sich selbst hätten fangen sehen. Während der zwei folgenden Tage erreichte ich den weitesten Punkt, den ich untersuchen wollte. Das Land bot denselben Anblick dar, bis zuletzt der schöne grüne Rasen ermüdender wurde als eine staubige Landstraße. Ueberall sahen wir eine große Menge von Feldhühnern (Nothura major Wagl). Diese Vögel fliegen nicht in Ketten und verbergen sich auch nicht wie die englische Art. Es scheinen sehr dumme Vögel zu sein. Ein Reiter, der in einem Kreise oder vielmehr in einer Spirale herumreitet, so daß er sie jedesmal enger einschließt, kann so viele todt schlagen, als ihm beliebt. Am gewöhnlichsten werden sie mit einer laufenden Schlinge oder einem kleinen Lazo gefangen, der von dem Kiel einer Straußenfeder gemacht und an das Ende eines langen Stockes befestigt ist. Ein Knabe auf einem ruhigen alten Pferde kann auf diese Weise häufig dreißig bis vierzig am Tage fangen. Das Fleisch dieses Vogels ist gekocht sehr zart und weiß.
Bei unserer Rückkehr nach Maldonado nahmen wir einen etwas verschiedenen Weg. Nahe bei Pan de Azucar, eine allen, die den Plata befahren haben, wohlbekannte Landmarke, blieb ich einen Tag in dem Hause eines höchst gastfreundlichen alten Spaniers. Früh Morgens bestiegen wir die Sierra de las Animas. Beim Aufgehen der Sonne war die Landschaft fast malerisch. Nach Westen erstreckte sich die Aussicht über eine ungeheuere Ebene so weit, wie der Berg bei Monte Video und nach Osten über das Hügelland von Maldonado. Auf der Spitze des Berges waren mehrere kleine Steinhaufen, die augenscheinlich dort manche Jahre gelegen hatten. Mein Begleiter versicherte mich, daß sie das Werk von Indiern aus älteren Zeiten wären. Die Haufen waren denen ähnlich, obgleich in einem viel kleineren Maßstabe, die man so häufig auf den Gebirgen von Wales findet. Das Verlangen, irgend ein Ereigniß auf dem höchsten Punkte des Landes zu verewigen, scheint der ganzen Menschheit gemein zu sein. Heut zu Tage giebt es keinen einzigen weder civilisirten noch wilden Indier mehr in diesem Theile der Provinz; auch weiß ich nicht, ob die früheren Einwohner eine dauerndere Erinnerung zurückgelassen haben, als diese unbedeutenden Steinhaufen auf dem Gipfel der Sierra de las Animas.
Die geologische Bildung dieser Gegend ist sehr einfach. Auf dem Kamm eines jeden Hügels kommen granitische oder alte Schieferbildungen zum Vorschein; der Rest ist unter einer rothen Thonerde in bedeutender Mächtigkeit verborgen. Man könnte diese auf den ersten Anblick für gewöhnlichen Detritus halten, aber bei genauerer Untersuchung findet man, daß sie kleine zusammengebackene Kugeln eines zerreiblichen Kalksteins oder Mergels enthält und andere eigenthümliche Eigenschaften besitzt. Sie dehnt sich über die ganze Provinz aus und ist in einigen Gegenden sehr ausgezeichnet durch die Reste mehrerer großen vorweltlichen Thiere. Diese rothe erdige Substanz, gehört zu der Formation, die jene ungeheuren Ebenen von Buenos Ayres bildet, die man mit dem Namen der Pampas bezeichnet. Wir müssen ihren Ursprung in einer Periode suchen, in welcher das Becken des Plata sich viel weiter ausdehnte und alles umliegende niedere Land mit Brackwasser bedeckt war. Zeichen der allmähligen Erhebung des Landes sieht man an manchen Stellen an den Ufern des Flusses; und es ist wahrscheinlich, daß die rothe erdige Masse, in geologischem Sinne, keiner sehr alten Zeit angehört.
Die allgemeine und fast völlige Abwesenheit von Bäumen in der Banda Oriental ist sehr bemerkenswerth. Einige der felsigen Hügel sind zum Theil mit Dickicht bedeckt und an den Ufern der größeren Ströme, hauptsächlich im Norden von Las Minas sind Weidenbäume nicht ungewöhnlich. Ich hörte von einem Palmenhaine nahe bei Arroyo Tapes; und einen dieser Bäume von beträchtlicher Größe sah ich bei Pan de Azucar im 35ten Breitengrade. Diese und die von den Spaniern gepflanzten Bäume sind die einzigen Ausnahmen des allgemeinen Holzmangels. Unter den eingeführten Bäumen will ich Pappeln, Oliven, Pfirsiche und andere Obstbäume erwähnen: die Pfirsiche gedeihen so wohl, daß sie hauptsächlich die Stadt Buenos Ayres mit Brennholz versehen. Sehr flache Länder, wie die Pampas, scheinen selten dem Wachsthum von Bäumen günstig zu sein; dies kann man vielleicht entweder der Kraft der Winde oder der Art des Wasserabflusses zuschreiben. In der Natur des Landes um Maldonado liegt indessen kein solcher Grund; die felsigen Berge geben geschützte Lagen, und bieten mancherlei Bodenarten dar; Wasserströmchen finden sich fast im Grunde eines jeden Thales; und die thonichte Natur der Erde scheint die Feuchtigkeit zurückzuhalten. Man hat mit vieler Wahrscheinlichkeit geschlossen, daß die Anwesenheit von Wald durch die jährliche Regenmenge bestimmt wird, und doch fallen in dieser Provinz viele und starke Regengüsse während des Winters; der Sommer ist zwar trocken, aber doch in keinem übermäßigen Grade. Wir sehen, daß beinahe ganz Australien von großen Bäumen bedeckt ist, und doch besitzt jenes Land ein bei weitem trockneres Klima. Wir müssen uns darum nach einer anderen Ursache umsehen. Die Bäume Brasiliens können wegen des kälteren Klimas sich nicht so weit verbreiten; auch ist kein anderes Waldland in der Nähe, von wo die Verbreitung hätte Statt finden können: wir müssen deshalb zum Schluß kommen, daß krautartige Pflanzen anstatt Bäumen zur Bedeckung jenes weiten Flächenraumes erschaffen wurden, der in einer nicht sehr entfernten Periode über den Spiegel des Meeres erhoben wurde.
Betrachten wir Südamerika an und für sich, so könnten wir glauben, daß Bäume nur in einem sehr feuchten Klima gedeihen könnten. Die Grenze des waldigen Landes folgt auf eine merkwürdige Weise der Grenze der feuchten Winde. In dem südlichen Theile des Continents, wo die westlichen mit der Feuchtigkeit des stillen Oceans beladenen Winde vorherrschen, ist jede Insel an der zerrissenen westlichen Küste vom 38sten Breitengrade bis zu dem äußersten Punkte des Feuerlandes mit einem undurchdringlichen Walde bedeckt. Auf der Ostseite der Cordilleren zwischen denselben Breitengraden, wo ein blauer Himmel und ein schönes Klima beweisen, daß die Atmosphäre ihrer Feuchtigkeit beraubt ist, ernähren die trockenen Ebenen von Patagonien nur eine sparsame Vegetation. In den Grenzen des beständigen südöstlichen Passatwindes ist die größere Fläche der östlichen Theile des Continents mit prachtvollen Wäldern geschmückt: die Westküste indessen vom 4ten bis 32sten Grade südlicher Breite ist beinahe eine Wüste. In diesem Falle wie in dem früheren ist alle Feuchtigkeit von den schneegekrönten Gipfeln der Andes verdichtet worden. In diesen beiden Flächenräumen haben durch den Einfluß der vorherrschenden Winde Wald und ödes Land eine umgekehrte Lage in ihrem Verhalten zu der großen Gebirgsaxe. Zwischen ihren Grenzen erstreckt sich ein breiter Zwischenstreifen, der weder öde noch bewaldet ist, durch den ganzen Continent. Central-Chili und die Provinzen des La Plata sind in diese Abtheilung eingeschlossen. Auf der Westküste, ungefähr vier Grade südlich von der Linie, wo der Passatwind seine Regelmäßigkeit verliert und heftige periodische Regengüsse fallen, erhält die öde Küste von Peru nahe beim Vorgebirge Blanco den in Guayaquil und an den Küsten von Panama so gerühmten Charakter von Ueppigkeit wieder.
Nach diesen Thatsachen wird es vielleicht eine genügende Antwort auf die Frage sein, daß nach dem südamerikanischen Vegetationstypus die Banda Oriental ein für das Wachsthum von Bäumen zu trockenes Klima hat. Eine solche Schlußfolge darf aber wohl nicht zu einem auf alle anderen Länder anwendbaren allgemeinen Gesetze erhoben werden. Mit den Falkland-Inseln ist der Fall selbst noch verwickelter als mit Maldonado. Unter demselben Breitegrade als das Feuerland gelegen und nur zwischen zweihundert bis dreihundert Meilen davon entfernt, besitzen diese Inseln ein ganz ähnliches Klima, eine fast identische Gebirgsfomation mit günstigen Lagen, dieselbe Art von Torfboden und doch haben sie kaum eine Pflanze, die den Namen eines Strauches verdiente; während man auf dem Feuerlande kaum einen Acker findet, der nicht mit dem dichtesten Walde bedeckt wäre. In diesem Falle sind sowohl die Richtung der heftigen Windstürme und die Meeresströmungen der Ueberführung von Samen günstig. Kähne und andere Werke von Menschenhand, auch Baumstämme, die vom Feuerlande weggetrieben sind, landen häufig auf den Küsten der westlichen Falkland-Inseln. Hiervon kommt es vielleicht, daß manche Pflanzen den beiden Ländern gemeinsam sind, aber es finden sich keine Bäume, und alle Versuche, die man machte, sie anzupflanzen, sind mißglückt.
Während meines Aufenthaltes in Maldonado richtete ich meine Aufmerksamkeit besonders auf Säugethiere und Vögel. Von den letztern verschaffte ich mir ganz in der Nähe nicht weniger als achtzig Arten, von denen einige ausnehmend schön waren, schöner selbst, wie in Brasilien. Die anderen Ordnungen wurden nicht vernachlässigt. Die Reptilien waren zahlreich, und ich erhielt neun verschiedene Arten von Schlangen. Von den einheimischen Säugethieren ist das einzig größere, was noch vorhanden ist, der Cervus campestris. Dieser Hirsch ist ausnehmend zahlreich in den an den Plata angrenzenden Ländern. Man findet ihn im nördlichen Patagonien so weit nach Süden, als den Rio Negro (41° Breite); weiter nach Süden wurde keiner von den mit der Aufnahme der Küste beschäftigten Offizieren gesehen. Er scheint ein hüglichtes Land vorzuziehen; ich sah viele kleine Heerden, jede fünf bis sieben Thiere stark, nahe der Sierra Ventana und in den Hügeln nördlich von Maldonado. Wenn jemand auf dem Boden kriechend sich langsam an die Heerde heranschleicht, so nähert sich ihm das Thier oft aus Neugierde. Ich habe auf diese Weise von einem Platze drei aus derselben Heerde erlegt. Aber ungeachtet dieser Zahmheit sind sie doch ausnehmend scheu, wenn man sich ihnen zu Pferde nähert. Niemand in diesem Lande geht zu Fuße und der Hirsch kennt den Menschen nur als seinen Feind, wenn er zu Pferde sitzt und mit den Bolas bewaffnet ist. In Bahia Blanca, einer neuen Niederlassung im nördlichen Patagonien, war ich erstaunt, wie wenig ihnen an dem Knalle eines Gewehres lag: eines Tages feuerte ich zehnmal aus einer Entfernung von achtzig Schritten nach einem Thiere; und es war vielmehr bestürzt darüber, daß die Kugel den Boden aufriß, als über den Knall der Büchse. Da mein Pulver ausgegangen, so war ich genöthigt (was mir alle guten Jäger verzeihen mögen), mich ihm zu nähern und es durch Rufen wegzutreiben.
Das merkwürdigste bei diesem Thiere ist der ausnehmend starke und widrige Geruch des Bockes. Er ist ganz unbeschreiblich; während ich das jetzt im zoologischen Museum ausgestellte Exemplar abzog, überwältigte mich fast der Ekel. Ich band die Haut in ein seidenes Taschentuch und trug sie auf diese Weise nach Hause; ich brauchte dieses Taschentuch, nachdem es wohl gewaschen war, beständig, und es wurde natürlicher Weise häufig gewaschen und doch spürte ich beim ersten Entfalten den Geruch noch nach neunzehn Monaten. Dieses ist ein merkwürdiges Beispiel von der Dauerhaftigkeit einer Materie, die ihrer Natur nach sehr fein und flüchtig sein muß. Häufig, wenn ich in einer Entfernung von einer halben Meile unter dem Winde bei einer Heerde vorbeikam, so war die ganze Luft mit dem Effluvium erfüllt. Ich glaube, daß der Geruch von dem Hirsch am bedeutendsten ist, wenn sein Geweih ausgebildet ist oder die haarige Haut verloren hat. In diesem Zustande ist natürlicher Weise das Fleisch ganz ungenießbar; die Gauchos behaupten aber, daß wenn man es eine Zeitlang in frische Erde begräbt, der Geruch sich verliert. Ich habe irgendwo gelesen, daß die Inselbewohner im Norden Schottlands das thranige Wildpret fischfressender Vögel in gleicher Weise behandeln.
Die Ordnung Rodentia oder Nager hat hier sehr viele Arten: von Mäusen allein erhielt ich nicht weniger als acht Arten, die alle von Herrn Waterhouse benannt und beschrieben worden sind. Der größte Nager in der Welt, der Hydrochaerus Capybara oder das Wasserschwein, ist hier ebenfalls gemein. Eins, das ich in Monte Video schoß, wog achtundneunzig Pfund; seine Länge von dem Ende der Schnautze bis zum stumpfen Schwanze war drei Fuß zwei Zoll, und seine Dicke drei Fuß acht Zoll. Diese großen Nager werden »Carpinchos« genannt: sie besuchen bisweilen die Inseln in der Mündung des Plato, wo das Wasser ganz salzig ist, weit häufiger sind sie aber an den Ufern der Süßwasserseeen und Flüsse. Bei Maldonado leben gewöhnlich drei bis vier zusammen. Am Tage liegen sie entweder unter Wasserpflanzen oder weiden offen auf dem Rasen. In dem Magen und Zwölffingerdarm eines Carpincho fand ich eine große Menge einer dünnen gelblichen Flüssigkeit, in der kaum eine Faser unterschieden werden konnte. Mr. Owen hat mir mitgetheilt, daß ein Theil des Schlundes so gebaut ist, daß nichts dickeres als eine Rabenfeder durchgeht. Die breiten Zähne und starken Kinnladen dieses Thieres eignen sich sehr gut dazu, die Wasserpflanzen, von denen es lebt, in einen Brei zu zermalmen. – Wenn man sie aus der Entfernung sieht, so ähneln sie in der Art ihres Gehens und ihrer Farbe den Schweinen; wenn sie aber auf ihren Hinterbeinen sitzen und aufmerksam einen Gegenstand mit einem Auge bewachen, so gleichen sie ihren Stammgenossen, den Meerschweinchen. Die Weite ihrer Kinnladen giebt dem Kopfe, von vorn und von der Seite gesehen, einen ganz lächerlichen Anblick. In Maldonado waren diese Thiere sehr zahm; vorsichtig gehend näherte ich mich vier alten auf drei Schritte. Diese Zahmheit läßt sich wahrscheinlich dadurch erklären, daß es seit einigen Jahren keine Jaguare mehr giebt und daß die Gauchos es nicht der Mühe werth halten, sie zu jagen. Als ich mich ihnen immer mehr näherte, so machten sie oft ihr eigenthümliches Geräusch, das in einem leisen abgebrochenen Grunzen besteht; es war eigentlich kein Laut, sondern kam vielmehr von dem plötzlichen Ausstoßen der Luft; der einzige ähnliche Ton ist das erste heisere Bellen eines großen Hundes. Nachdem wir uns gegenseitig mehrere Minuten fast auf Armslänge bewacht hatten, rannten sie in vollem Galop mit der größten Eilfertigkeit ins Wasser und ließen zu gleicher Zeit ihr Gebell hören. Nachdem sie auf eine kleine Entfernung untergetaucht waren, kamen sie wieder an die Oberfläche, zeigten aber nur gerade den oberen Theil ihrer Köpfe. Wenn das Weibchen in dem Wasser schwimmt und Junge hat, so sollen die letzteren auf seinem Rücken sitzen. Man tödtet diese Thiere leicht in großer Anzahl, aber ihre Haut hat wenig Werth und das Fleisch ist auch nur mittelmäßig. Ich habe nie gehört, daß der Carpincho sich südlich vom Plata findet: aber in einer Karte steht eine Laguna del Carpincho weit den Rio Salado hinauf, wo ich vermuthe, daß sie vorgekommen sind. Auf den Inseln in dem Rio Parana sind sie ausnehmend häufig und bilden die gewöhnliche Nahrung des Jaguar.
Der Tucutuco (Clenomys Braziliensis) ist ein merkwürdiges kleines Thier, das man kurz als einen Nager mit den Sitten eines Maulwurfs beschreiben kann. Er ist ausnehmend häufig in einigen Landesstrichen; so sind die großen Ebenen nördlich vom Rio Colorado von diesen Thieren unterminirt, und nahe der Magellanstraße, wo Patagonien in das Feuerland übergeht, bildet das ganze sandige Land ein großes Gehege für den Tucutuco. Er ist indessen schwer zu fangen und in der Freiheit noch schwerer zu sehen. Er lebt fast ganz unter der Erde und zieht einen sandigen Boden mit sanfter Neigung allen andern vor. Die Höhlen sollen nicht tief, aber von großer Länge sein. Sie sind selten offen und die Erde ist an den Mündungen in Hügel aufgeworfen, die nicht ganz so groß wie Maulwurfshügel sind. Große Landstrecken sind so vollständig von diesen Thieren unterminirt, daß Pferde bis über ihre Hufen einsinken. Bis zu einem gewissen Grade scheinen sie gesellschaftlich zu leben. Der Mann, welcher mir meine Exemplare verschaffte, hatte sechs zusammen gefangen und sagte, dies sei ein gewöhnliches Vorkommen. In ihren Sitten sind sie Nachtthiere, und ihr vorzüglichstes Futter sind Pflanzenwurzeln, und diese sich zu verschaffen scheint der Zweck ihrer ausgedehnten und oberflächlichen Höhlen. Azara sagt, sie seien so schwer zu bekommen, daß er nie mehr als einen sah. Er bemerkt ferner, daß sie Nahrungsmagazine in ihren Höhlen anlegen. Durch ein sehr eigenthümliches Geräusch, das sie unter der Erde machen, sind diese Thiere allgemein bekannt. Es ist sehr sonderbar, wenn man es zum ersten Male hört; es ist schwer zu sagen, woher es kommt und von welchem Geschöpfe es ausgeht. Der Ton besteht in einem kurzen, aber nicht rauhen Nasengrunzen, das ungefähr viermal in schneller Folge wiederholt wird; das erste Grunzen ist nicht so laut, aber etwas länger und deutlicher als die drei folgenden; der Takt des Ganzen ist immer beständig. Am Rio Negro in dem nördlichen Patagonien giebt es ein ähnliches Thier und wahrscheinlich eine nah verwandte Art, die ich aber niemals gesehen habe. Die Stimme ist verschieden von der Art vom Maldonado; der Ton wird nur zweimal statt drei- oder viermal wiederholt und ist deutlicher und wohlklingender: wenn man es aus der Ferne hört, so ist der Ton gerade wie wenn ein kleiner Baum mit der Art gefällt wird, so daß ich mitunter darüber in Zweifel war.
Der Name Tucutuco ist eine Nachahmung der Stimme. Wo sich das Thier häufig findet, kann man zu allen Tageszeiten seine Stimme hören und zuweilen gerade unter seinen Füßen. Hält man Tucutucos in einem Zimmer, so bewegen sie sich langsam und unbehülflich, was von der Thätigkeit ihrer Hinterbeine nach Außen abzuhängen scheint, und sie scheinen ebenso ganz unfähig, den kleinsten senkrechten Sprung zu machen. Mr. Reid, der ein von mir in Weingeist nach Hause gebrachtes Exemplar untersuchte, hat mir mitgetheilt, daß der Schenkelkopf kein Ligamentum teres besitzt, und dieses erklärt auf eine genügende Weise die linkischen Bewegungen ihrer hinteren Extremitäten. Wenn sie fressen, so ruhen sie auf ihren Hinterbeinen und halten das Stück in ihren Vorderpfoten: sie scheinen es auch in irgend einen Winkel ziehen zu wollen. In ihren Versuchen zu entrinnen, zeigen sie sich sehr dumm; sind sie böse oder erschreckt, so lassen sie das Tucutuco hören. Mehrere von denen, die ich lebend hatte, wurden selbst am ersten Tage ganz zahm und versuchten nicht zu beißen oder wegzulaufen; andere waren etwas wilder.
Der Mann, der sie gefangen, behauptete, daß man immer sehr viele blinde unter ihnen findet: ein Exemplar, das ich in Weingeist hatte, befand sich in diesem Zustande. Mr. Reid hielt es für die Wirkung einer Entzündung in der Nickhaut. Als das Thier noch lebte, nahm es nicht die mindeste Notiz, wenn ich meinen Finger einen halben Zoll von seinem Kopfe brachte: es lief indessen in dem Zimmer so gut wie die anderen herum. Wenn man die unterirdische Lebensweise des Tucutuco in Betracht zieht, so kann die häufige Blindheit kein sehr bedeutendes Uebel sein, und doch ist es sonderbar, daß ein Thier ein Organ hat, das so beständig leidet. Der Maulwurf, dessen Lebensweise in fast jeder Beziehung, die Nahrung ausgenommen, so ähnlich ist, hat ein ausnehmend kleines und geschütztes Auge, das zwar nur ein beschränktes Sehvermögen besitzt, aber seiner Lebensweise ganz angepaßt scheint.
Auf den wellenförmigen Gras-Ebenen um Maldonado sind Vögel mancherlei Art ausnehmend häufig. Einige Arten von der Gattung Cassicus, die unsern Staaren an Bau und Lebensweise ähnlich sind, Tyrann Fliegenfänger und ein Spottvogel geben der Ornithologie einen Charakter. Einige Cassici sind sehr schön mit vorherrschender schwarzer und gelber Farbe; aber der Oriolus ruber Gmel. ist eine Ausnahme, da sein Kopf, seine Schultern und Schienbeine von dem schönsten Scharlach sind. Dieser Vogel unterscheidet sich von seinen Verwandten darin, daß er einsam lebt. Er besucht Sümpfe und auf der Spitze eines niedrigen Strauches sitzend läßt er mit weit offenem Munde ein klagendes angenehmes Geschrei hören, das man auf eine weite Entfernung vernimmt. Eine andere Art (Le Troupiale commun von Azara, Vol. III. p. l69. – Molothrus niger Gould) von einer schwärzlichen Purpurfarbe mit Metallglanz, lebt auf der Ebene in großen Flügen mit andern Vögeln vermischt. Man sieht oft mehrere von ihnen auf dem Rücken einer Kuh oder eines Pferdes stehen. Wenn sie auf einer Hecke sitzen und sich sonnen, so versuchen sie bisweilen zu singen oder vielmehr zu zischen. Der Ton ist sehr eigenthümlich; es war als wenn Luftblasen schnell aus einer kleinen Öffnung unter Wasser hervorkommen, so daß sie einen scharfen Ton hervorbringen. Azara bemerkt, daß dieser Vogel wie der Kukuk seine Eier in die Nester anderer Vogel legt. Ich hörte mehrmals von Landleuten, daß es einen Vogel mit dieser Eigenschaft gebe; und mein Gehülfe im Sammeln, der sehr genau ist, fand ein Nest des hiesigen Sperlings mit einem Ei darin, das größer als die anderen und von einer verschiedenen Farbe und Gestalt war. Mr. Swainson bemerkt, daß mit Ausnahme des Molothrus pecoris, der Kukuk der einzige Vogel ist, der in Wahrheit ein Schmarotzer genannt werden kann, nämlich solche, die sich gleichsam auf ein anderes lebendes Thier befestigen, dessen thierische Wärme ihre Jungen zum Leben bringt, von dessen Nahrung sie leben und dessen Tod ihren eigenen in ihrer Kindheit herbeiführen würde.
Der Molothrus pecoris ist ein nordamerikanischer Vogel und ist in seiner allgemeinen Lebensweise, selbst darin, daß er auf dem Rücken des Rindviehs sitzt (wie auch schon sein Name andeutet) und in seinem Aussehen mit der Art von den Ebenen des La Plata nahe verwandt; er unterscheidet sich nur darin, daß er etwas kleiner und von verschiedener Farbe ist, doch würden die beiden Vögel von jedem Naturforscher als verschiedene Arten angesehen werden. Eine so genaue Uebereinstimmung in dem Baue und in der Lebensart von zwei verwandten Arten, die von den entgegengesetzten Theilen eines großen Continentes kommen, ist sehr interessant. Es ist ebenfalls sehr merkwürdig, daß die Kukuks und die Molothri, obgleich sie sich fast in jeder andern Beziehung entgegengesetzt sind, in ihrer sonderbaren parasitischen Fortpflanzungsweise übereinkommen sollten. Der Motothrus ist, wie unser Staar, ausnehmend gesellig und lebt auf den offenen Ebenen kunstlos und unversteckt; der Kukuk, wie Jedermann weiß, ist besonders scheu, besucht die abgelegensten Dickichte und nährt sich von Früchten und Raupen. In ihrem Baue sind diese Vogel ebenfalls weit von einander entfernt.
Ich will nur noch zwei andere Vogel erwähnen, die sehr allgemein sind und sich durch ihre Sitten bemerklich machen. Der Saurophagus sulphuratus ist typisch für die große amerikanische Sippschaft der Tyrannfliegenfänger. In seinem Baue ist er ganz mit den ächten Würgern verwandt, kann aber in seiner Lebensweise mit manchen anderen Vögeln verglichen werden. Ich beobachtete ihn häufig, wenn er über ein Feld auf Raub ausging, und wie ein Falke über einem Flecke schwebte und dann zu einem andern überging. Sah man ihn auf diese Weise in der Luft schweben, so hätte man ihn in einer kleinen Entfernung leicht für einen Raubvogel gehalten; sein Stoßen ist indessen an Kraft und Schnelligkeit weit geringer. Bisweilen hält sich der Saurophagus in der Nachbarschaft eines Wassers auf und indem er wie ein Eisvogel an einem Orte bleibt, fängt er alle kleinen Fische, die an den Rand kommen. Diese Vögel werden nicht selten entweder in Käfigen oder auch in Höfen mit gestutzten Flügeln gehalten. Sie werden bald zahm und sind sehr ergötzlich durch ihre listigen sonderbaren Manieren, die man mir ähnlich denen der gewöhnlichen Elster beschrieb. Ihr Flug ist wellenförmig, indem das Gewicht des Kopfes und des Schnabels zu schwer für ihren Körper zu sein scheint. Abends nimmt der Saurophagus seinen Standpunkt auf einem Strauche, häufig nahe der Straße und wiederholt beständig ohne Veränderung ein schrilles und ziemlich angenehmes Geschrei, das bisweilen articulirten Worten ähnlich ist. Die Spanier sagen, es ist wie die Worte Bien te veo (ich sehe dich wohl) und haben ihm deshalb diesen Namen gegeben.
Ein Spottvogel, Mimus Orpheus, der von den Einwohnern Calandria genannt wird, ist merkwürdig durch einen weit vorzüglicheren Gesang, als irgend ein anderer Vogel des Landes besitzt.  Es ist in der That fast der einzige Vogel in Südamerika, der seinen Standpunkt zum Zweck des Singens nimmt. Man kann den Gesang  mit dem des Rohrfängers vergleichen, aber er ist stärker; einige harsche Töne und einige sehr hohe sind mit einem angenehmen Trillern vermischt. Man hört ihn nur während des Frühlings. Zu anderen Zeiten ist sein Geschrei harsch und nichts weniger als harmonisch. Er hält sich in Dickichten und Hecken auf, ist sehr lebendig und während er schnell umherhüpft, breitet er oft seinen Schwanz aus. Nahe bei Maldonado waren diese Vögel zahm und kühn; sie besuchten in großer Anzahl die Landhäuser, um das Fleisch zu picken, das an den Pfosten oder Mauern hing, und wollte ein anderer kleiner Vogel auch seinen Theil am Feste haben, so trieb ihn der Calandria augenblicklich hinweg. Auf den weiten unbewohnten Ebenen von Patagonien  wohnt eine andere nahe verwandte Art, Orpheus patagonica von d’Orbigny, der die mit Dornbüschen bekleideten Thäler besucht, aber wilder ist und eine etwas verschiedene Stimme hat. Als ich diese zweite Art zum ersten Mal sah, hielt ich sie wegen des letztern Umstandes allein für eine von der von Maldonado verschiedene Art. Als ich nachher ein Exemplar erhielt und es oberflächlich untersuchte, so schienen sie mir so ähnlich zu sein, daß ich meine Meinung änderte; aber Herr Gould sagt fest, daß sie bestimmt verschieden sind, was auch mit dem kleinen Unterschiede in der Lebensweise übereinstimmt, die aber Herr Gould nicht kannte.
Ich will noch einige Bemerkungen über die verschiedenen aasfressenden Raubvögel hinzufügen, die die außerhalb der Wendekreise gelegenen Theile von Südamerika bewohnen. Durch ihre Zahl, Zahmheit und widrige Lebensweise fallen diese Vögel ganz besonders dem auf, der bloß an die Vögel des nördlichen Europa gewöhnt ist. Zu ihnen gehören vier Arten des Caracara oder Polyborus, der Truthahn-Bustard, der Gallinazo und der Condor. Nach ihrem Baue gehören die Caracaras zu den Adlern; wir werden bald sehen, wie wenig ihre Sitten mit ihrem Range übereinstimmen. Sie ersetzen unsere Aaskrähen, Elstern und Raben, eine Klasse von Vögeln, die in Südamerika ganz fehlt. Um mit dem Polyborus Braziliensis anzufangen, so ist dies ein gemeiner Vogel, der eine weite geographische Verbreitung hat; er ist am zahlreichsten auf den grasbedeckten Savannen des La Plata (wo er den Namen Carrancha führt) und ist durchaus nicht selten in den unfruchtbaren Ebenen Patagoniens. In dem wüsten Lande zwischen den Flüssen Negro und Colorado, war immer eine große Anzahl von ihnen nahe der Straße, um die Leichen von Thieren zu verzehren, die aus Hunger oder Durst gestorben waren. Obgleich sie deshalb in diesen trockenen und offenen Ländern, und ebenso an den dürren Küstenländern des stillen Oceans gemein sind, so findet man sie nichts desto weniger auch als Einwohner der feuchten undurchdringlichen Wälder des westlichen Patagoniens und des Feuerlandes. Die Carranchas und der Polyborus Chimango finden sich immer in großer Anzahl bei den Estancias und den Schlachthäusern. Wenn ein Thier aus der Ebene stirbt, so beginnt der Gallinazo das Fest, und dann picken die beiden Caracaras die Knochen rein. Obgleich diese Vögel gemeiniglich zusammen füttern, so sind sie doch keineswegs Freunde. Wenn der Carrancha ruhig auf einem Baumaste oder auf der Erde sitzt, so fliegt der Chimango oft lange hin und zurück, auf und nieder, in einem Halbkreise und versucht jedes Mal im Grunde der Krümmung seinen größern Verwandten zu verletzen. Der Carrancha nimmt wenig Notiz davon, ausgenommen, daß er mit seinem Kopfe stößt. Obgleich die Carranchas sich häufig in großer Anzahl versammeln, so sind sie doch nicht gesellig, denn an verlassenen Plätzen sieht man sie einsam oder noch häufiger in Paaren. Außer dem Aas großer Thiere besuchen diese Vögel auch die Ufer der Ströme und den Strand des Meeres, um alles dessen was das Wasser ans Ufer wirft, habhaft zu werden. In dem Feuerlande und auf der Westküste von Patagonien müssen sie ausschließlich von solcher Nahrung leben.
Die Carranchas sollen sehr frech sein und eine große Menge Eier stehlen. Sie und der Chimango picken auch die Borke von den Wunden auf dem Rücken der Pferde und Maulthiere. Das arme Thier mit gesenkten Ohren und gewölbtem Rücken und auf der andern Seite der Vogel, wie er aus der Entfernung von einigen Fuß auf den widrigen Bissen herabsieht, bilden ein Gemälde, das Capitain Head auf die ihm gewöhnliche geistreiche und genaue Weise geschildert hat. Die Carranchas tödten vetwundete Thiere; aber Herr Bynoe sah, wie einer in der Luft ein lebendiges Feldhuhn ergriff, das entkam und eine Zeitlang von ihm auf der Erde gejagt wurde. Ich halte dies für einen sehr ungewöhnlichen Umstand: jedenfalls leidet es keinen Zweifel, daß der Haupttheil ihrer Nahrung von Aas herrührt. Wie sich der Carrancha vom Todten nährt, sieht man, wenn man sich auf einer jener öden Ebenen zum Schlafen hinlegt. Wenn man erwacht, so sieht man sich von jedem benachbarten Hügel von einem dieser Vögel geduldig mit üblem Auge bewacht. Es ist ein eigenthümlicher Zug in dem Landschaftsgemälde dieser Länder, den jeder wieder erkennen wird, der einmal über sie gewandert ist. Wenn eine Jagdparthie mit Hunden und Pferden auszieht, so werden während des Tages immer mehrere dieser Begleiter zugegen sein. Wenn sie gefressen haben, so wird der nackte Kropf hervorgedrängt; zu dieser Zeit und in der That immer, ist der Carrancha ein unthätiger, zahmer und feiger Vogel. Sein Flug ist schwerfällig und langsam wie der der Saatkrähe. Selten fliegt er hoch, doch sah ich zweimal einen in einer großen Höhe mit ziemlicher Leichtigkeit durch die Luft dahingleiten. Er läuft, (im Gegensatz zum Hüpfen) aber nicht ganz so schnell wie einige seiner Verwandten. Zuweilen ist der Carrancha geräuschvoll, was aber gewöhnlich nicht der Fall ist; sein Geschrei ist laut, sehr harsch und eigenthümlich und dem Laute des spanischen Kehllautes g ähnlich, wenn ihm ein rauhes doppeltes rr nachfolgt. Vielleicht haben ihn die Gauchos aus diesem Grunde Carrancha genannt. Molina, der sagt, daß er in Chili Tharu heißt, bemerkt, daß er, wenn er dieses Geschrei von sich giebt, seinen Kopf höher und höher erhebt, bis er zuletzt mit seinem Schnabel weit offen, mit dem Scheitel fast den untern Theil des Rückens berührt. Diese Thatsachte, die bezweifelt wurde, ist ganz richtig; ich habe sie mehrmals, mit ihrem Kopfe rückwärts gebeugt, in einer vollkommen umgewendeten Lage gesehen. Der Carrancha baut sich ein großes kunstloses Nest, entweder in einer niedrigen Klippe oder in einem Strauche oder einem hohen Baume. Zu diesen Bemerkungen kann ich hinzufügen, auf die hohe Autorität von Azara, daß der Carrancha sich von Würmern, Muscheln, Schnecken, Heuschrecken und Fröschen nährt; daß er junge Lämmer würgt, indem er ihnen die Nabelschnur zerreißt und daß er den Gallinazo verfolgt, bis er ihn genöthigt hat, das Aas von sich zu geben, das er kürzlich verschlungen hat. Zuletzt sagt Azara, daß mehrere Carranchas, fünf oder sechs zusammen, sich zuweilen zur Jagd großer Vögel, wie z. B. Reiher, vereinigen. Alle diese Thatsachen zeigen, daß er ein Vogel von schmiegsamer Lebensweise und sehr erfinderisch ist.
Der Polyborus Chimango ist beträchtlich kleiner als die letzte Art. Er ist gemein auf beiden Seiten des Continents, aber scheint sich nicht so weit nördlich als die letzte Art zu erstrecken. Er findet sich in Chiloe und auf der Küste von Patagonien und ich habe ihn auch auf dem Feuerlande gesehen. Ich habe bereits bemerkt, daß er sich von Aas nährt, wie der Carrancha. Er ist gewöhnlich der letzte Vogel, der das Skelett verläßt, und man sieht ihn oft innerhalb der Rippen einer Kuh oder eines Pferdes, wie einen Vogel in einem Käfige. Der Chimango besucht oft die Meeresküste und die Ufer von Seen und Sümpfen, wo er sich kleine Fische sucht. Er nährt sich von Allem und selbst von Brod, das mit anderm Kehricht aus einem Hause geworfen worden ist; man versicherte mich auch, daß sie der Kartoffel-Erndte in Chiloe sehr nachtheilig sind, indem sie die Knollen auskratzen, wenn sie erst gepflanzt worden sind. Auf derselben Insel sah ich sie bei Dutzenden dem Pfluge folgen und sich von Würmern und Insectenlarven nähren. Ich glaube nicht, daß sie jemals Vögel oder Säugethiere tödten. Sie sind lebhafter wie die Carranchas, aber ihr Flug ist schwerfällig; niemals sah ich einen sich zu hohem Fluge erheben; sie sind sehr zahm, aber nicht gesellig, setzen sich gewöhnlich auf Steinmauern und nicht auf Bäume, und lassen häufig einen schwachen gellenden Laut hören. Die dritte Art von Polyborus ist ausgezeichnet durch ihren beschränkten Wohnplatz: wir fanden sie nur in einem Thale von Patagonien. Die letzte Art ist der Polyborus Novae Zelandiae. Dieser Vogel ist ausnehmend häufig auf den Falkland-Inseln, die der Brennpunkt seiner Verbreitung zu sein scheinen. Die Robbenfänger erzählten mir, daß sie sich auf den Diego Ramirez-Felsen und auf den Ildenfonso-Inseln, aber niemals auf dem Feuerlande selbst finden. Auch kommen sie nicht auf Georgia oder den mehr südlichen Inseln vor. In mancher Hinsicht ähneln diese Raubvögel in ihrer Lebensweise den Carranchas. Sie leben vom Fleisch todter Thiere und von Seegeschöpfen und auf den Ramirez-Felsen muß ihre ganze Nahrung vom Meere abhängen. Sie sind ausnehmend zahm und furchtlos und durchsuchen die Nachbarschaft der Häuser nach Auswurf. Wenn eine Jagdparthie ein Thier tödtet, so versammelt sich bald eine Anzahl von ihnen und wartet geduldig, indem sie auf allen Seiten auf der Erde stehen. Wenn sie gefressen haben, so stehen ihre unbedeckten Kröpfe weit hervor, was ihnen ein häßliches Ansehen giebt. Sie greifen gern verwundete Vögel an; ein Cormoran, der sich in diesem Zustande nach dem Ufer geflüchtet hatte, wurde augenblicklich von mehreren ergriffen und sein Tod durch ihre Hiebe beschleunigt. Der »Beagle« war nur während des Sommers auf den Falkland-Inseln, aber die Officiere des Adventure, die im Winter dort waren, erwähnten mehrere außerordentliche Beispiele von der Kühnheit und Raubsucht dieser Vögel. Sie fielen in der That über einen Hund her, der fest schlafend nahe bei einem aus der Gesellschaft lag und die Jäger konnten nur mit Schwierigkeit verhindern, daß sie die verwundeten Gänse vor ihren Augen ergriffen. Mehrere von ihnen sollen, und hierin gleichen sie den Carranchas, an der Mündung eines Kaninchenbaues warten und zusammen das Thier ergreifen, wenn es herauskommt. Sie flogen beständig an Bord des Schiffes, als dieses im Hafen lag, und man mußte gute Wache halten, damit sie nicht das Leder vom Tauwerk rissen und das Fleisch und Wildpret vom Hintertheile des Schiffs stahlen. Diese Vögel sind sehr lebhaft und neugierig, sie ergreifen fast alles, was auf dem Boden liegt; ein großer schwarzer lackirter Hut wurde beinahe eine Meile weit geschleppt und ebenso ein Paar schwere Bälle, wie man sie zum Fangen des Rindviehs braucht. Mr. Usborne erfuhr während der Küstenaufnahme einen bedeutenden Verlust, indem sie ihm einen kleinen Katerschen Compaß in einer roten Marokkobüchse stahlen, der niemals wiedergefunden wurde. Diese Vögel sind außerdem streitsüchtig und sehr leidenschaftlich und reißen aus Wuth mit ihrem Schnabel das Gras aus. Sie sind eigentlich nicht gesellig, erheben sich nicht in die Luft, ihr Flug ist schwerfällig und plump, auf dem Boden laufen sie mit ausnehmender Schnelligkeit, gerade so wie die Fasanen. Sie sind geräuschvoll, indem sie mehrere harsche Töne ausstoßen; einer von diesen ist wie der der Saatkrähe, weßhalb sie die Robbenfänger auch so heißen. Es ist merkwürdig, daß, wenn sie schreien, sie ihre Köpfe nach oben und nach hinten werfen, ganz in derselben. Weise, wie der Carrancha. Sie bauen ihr Nest auf die felsigen Klippen der Seeküste, aber nur auf den kleinen Inselchen und nicht auf den zwei Hauptinseln, eine sonderbare Vorsicht bei einem so zahmen und furchtlosen Vogel. Die Robbenfänger sagen, daß das Fleisch dieser Vögel gekocht, ganz weiß und sehr gut zu essen ist. Ich muß jetzt nur noch den Truthahn-Bustard (Vultur aura) und den Gallinazo erwähnen. Den ersteren findet man überall, wo das Land mäßig feucht ist, vom Cap Horn bis Nordamerika. Verschieden von dem Polyborus Braziliensis und dem Chimango hat er seinen Weg nach den Falkland-Inseln gefunden. Der Truthahn-Bustard ist ein einsamer Vogel oder lebt höchstens in Paaren. Man kann ihn schon aus einer weiten Ferne an seinem hohen schwebenden und sehr zierlichen Fluge erkennen. Er ist ein wahrer aasfressender Vogel. Auf der westlichen Küste von Patagonien, auf den dick bewachsenen Inselchen und dem felsigen Lande lebt er ausschließlich von dem, was die See auswirft und von den Leichnamen todter Seehunde. Ueberall, wo diese Thiere auf den Felsen versammelt sind, kann man diese Geier sehen. Der Gallinazo (Cathartes stratus) hat eine von der letzten Art verschiedene Verbreitung, da er niemals südlich von dem 41sten Breitengrade vorkommt. Azara bemerkt, es sei eine Ueberlieferung vorhanden, daß diese Vögel zur Zeit der Eroberung nicht in der Nähe von Monte Video vorkommt, sondern daß sie später den Einwohnern von den mehr nördlichen Districten folgten. Heutiges Tages sind sie zahlreich in dem Thale des Colorado, was gerade drei hundert Meilen südlich von Monte Video ist. Es scheint wahrscheinlich, daß diese weitere Wanderung seit Azara’s Zeit Statt gefunden hat. Der Gallinazo zieht gewöhnlich ein feuchtes Klima oder vielmehr die Nachbarschaft frischen Wassers vor. Er ist deßhalb ausnehmend häufig in Brasilien und am La Plata, während er sich niemals auf den öden und dürren Ebenen des nördlichen Patagoniens, nahe an einem Strome ausgenommen, findet. Diese Vögel besuchen die Pampas in ihrer ganzen Ausdehnung bis an den Fuß der Cordilieren. Aber ich sah oder hörte niemals von ihnen in Chili. In Peru werden sie geschont, weil sie das Aas und den Auswurf verzehren. Diese Geier kann man mit Recht gesellig heißen, denn sie scheinen an Gesellschaft Vergnügen zu haben und werden nicht bloß durch die Anziehung gemeinschaftlicher Beute zusammengebracht. An einem schönen Tage kann man oft einen Schwarm von ihnen in großer Höhe beobachten, wenn jeder Vogel sich in den zierlichsten Bewegungen herumdreht, ohne seine Flügel zu bewegen. Dieses thut er gewiß des Vergnügens halber oder es mag auch mit geschlechtlichen Verhältnissen zusammenhängen.
Ich habe jetzt alle Aasvögel erwähnt, den Condor ausgenommen, von dem ich angemessener spreche, wenn wir ein seinen Sitten mehr zuträgliches Land besuchen, als die Ebenen des La Plata. In einem breiten Gürtel von Sandhügeln, die die Lagune del Potrero von den Ufern des La Plata trennen, einige wenige Meilen von Maldonado entfernt, fand ich eine Gruppe jener verglasten kieselartign Röhren, deren Bildung man gewöhnlich einem in lockern Sand einschlagenden Blitze zuschreibt. Diese Röhren gleichen in jeder Beziehung denen von Drigg in Cumberland, die in den Geological Transactions Vol. II. pag. 528 beschrieben sind. Da die Sandhügel von Maldonado nicht von Vegetation beschützt sind, so ändern sie beständig ihre Lage. Aus dieser Ursache standen die Röhren über der Oberfläche hervor und zahlreiche Stücke, die umher lagen, zeigten, daß sie früher in größerer Tiefe begraben gewesen waren. Vier Reihen steckten senkrecht im Sande. Mit meinen Händen arbeitend, verfolgte ich eine von ihnen zwei Fuß tief und wenn man einige Stücke, die offenbar zu derselben Röhre gehört hatten, hinzufügt, so maß sie fünf Fuß drei Zoll. Der Durchmesser des Ganzen war beinahe gleich und es läßt sich deßhalb vermuthen, daß sie sich ursprünglich in eine noch weit größere Tiefe erstreckten. Diese Massen sind indessen gering, wenn man sie mit denen der Röhren von Drigg vergleicht, von denen eine auf eine Tiefe von nicht weniger als dreißig Fuß verfolgt wurde.
Die innere Oberfläche ist vollständig verglast, glänzend und glatt. Untersuchte man ein Stückchen unter dem Mikroskop, so erschien es von der Anzahl kleiner eingeschlossener Luft oder vielleicht Dampfbläschen, wie ein vor dem Löthrohre geschmolzenes Loth. Der Sand ist ganz oder zum größten Theil kieselicht, aber einige Punkte sind von schwarzer Farbe und haben wegen ihrer glänzenden Oberfläche einen Metallglanz. Die Dicke der Seiten der Röhren wechselt von 1/30 bis zu 1/20 eines Zolls und ist bisweilen selbst 1/10. An der Außenseite sind die Sandkörner gerundet und haben ein leicht verglastes Ansehen. Ich konnte kein Zeichen von Krystallisation unterscheiden. Auf eine ähnliche Weise, wie die in den Geological Transactions beschriebenen, sind die Röhren gewöhnlich zusammengedrückt und haben tiefe Längsfurchen, so daß sie genau einem zusammengeschrumpften Pflanzenstengel oder der Rinde der Ulme oder der Korkeiche ähnlich sind. Ihr Umfang ist ungefähr zwei Zoll, aber in einigen Stücken, die cylindrisch und ohne Furchen sind, ist er doppelt so viel, oder vier Zoll. Nach den nicht zusammengedrückten Stücken zu schließen, muß das Maß oder Kaliber des Blitzstrahls (wenn man sich dieses Ausdrucks bedienen kann) ungefähr l¼ Zoll gewesen sein. In Paris gelang es M. Hachette und M. Beudaut (Annales de Chimie et de Physique Tom. XXXVlL. p. 319) Röhren zu machen, die diesen Fulguriten in den meisten Beziehungen ähnlich sind, indem sie sehr starke galvanische Schläge durch sein gepulvertes Glas streichen ließen; wurde Salz zur Vermehrung der Schmelzbarkeit hinzugefügt, so wurden die Röhren in jedem Maße größer. Es gelang ihnen nicht mit gepulvertem Feldspath und Quarz. Eine aus zerstoßenem Glase gebildete Röhre war beinahe einen Zoll lang, nämlich 999/1000 und hatte einen inneren Durchmesser 19/1000. Hören wir nun, daß die stärkste Batterie gebraucht wurde und daß in einer Substanz von so leichter Schmelzbarkeit als Glas, so unbedeutende Röhren gebildet wurden, so müssen wir sehr über die Kraft eines Blitzstrahls erstaunen, der in mehreren Plätzen in den Sand einschlagend, in einem Falle einen Cylinder von wenigstens dreißig Fuß Länge und in nicht zusammengedrücktem Zustande von einem Kaliber von einem und einem halben Zoll bildete, und zwar in einer so schwierig schmelzbaren Materie als Quarz ist!
Ich habe bereits bemerkt, daß die Röhren in einer beinahe senktrechten Richtung in dem Sande stehen. Eine war indessen weniger regelmäßig als die übrigen und hatte eine in ihrer größten Biegung 36 Grade von der geraden Linie betragende Abweichung. Dieselbe Röhre verzweigte sich in zwei ungefähr einen Fuß von einander entfernte Aeste; einer deutete nach unten und der andere nach oben. Der letzte Fall ist bemerkenswerth, da die elektrische Flüssigkeit sich in einem spitzen Winkel von 26° zur Linie ihrer Hauptrichtung umgedreht haben muß. Außer den vier Röhren, die ich senkrecht fand und unter die Oberfläche verfolgte, gab es mehrere andere Gruppen von Fragmenten, deren ursprüngliche Lage ohne Zweifel in der Nähe war. Das Ganze fand sich in einem ebenen Platze von Triebsand, sechzig Schritte lang und zwanzig breit, der unter einigen hohen Sandhügeln gelegen war und in einer Entfernung von ungefähr einer halben Meile war eine vier bis fünfhundert Fuß hohe Hügelkette.
Der merkwürdigste Umstand sowohl in diesem Falle, wie in dem von Drigg und in einem von Ribbentropp in Deutschland beschriebenen, ist die Röhrenzahl, die man innerhalb eines so begrenzten Raumes findet. In Drigg wurden innerhalb eines Flächenraumes von 15 Schritten drei beobachtet, und dieselbe Zahl fand sich in Deutschland. In dem beschriebenen Falle waren gewiß mehr als vier innerhalb des Raumes von sechzig Schritten lang und zwanzig Schritten breit. Da es nicht wahrscheinlich ist, daß die Röhren durch auf einander folgende und verschiedene Schläge hervorgebracht sind, so müssen wir annehmen, daß der Blitzstrahl kurz vorher, ehe er in die Erde eindringt, sich in besondere Aeste theilt. Die Nachbarschaft des Rio Plata scheint besonders elektrischen Erscheinungen unterworfen zu sein. Im Jahre 1793 fand in Buenos Ayres einer der zerstörendsten Gewitterstürme seit Menschengedenken statt: der Blitz schlug an siebenunddreißig Plätzen innerhalb der Stadt ein und neunzehn Leute wurden getödtet. Aus mehreren in Reisebeschreibungen angeführten Erzählungen vermuthe ich, daß Gewitterstürme sehr häufig nahe der Mündung großer Flüsse sind. Ist es nicht möglich, daß die Mischung großer Mengen von süßem Wasser mit Salzwasser das elektrische Gleichgewicht stören? Selbst während unsers kurzen Besuches dieses Theiles von Südamerika hörten wir, daß der Blitz in ein Schiff, zwei Kirchen und ein Haus eingeschlagen. Ich sah sowohl die Kirche wie das Haus kurz nachher; das Haus gehörte Mr.Hood, Generalconsul in Monte Video. Einige von den Wirkungen waren merkwürdig; die Tapeten waren beinahe einen Fuß auf jeder Seite der Linie, wo der Klingeldraht lief, geschwärzt. Das Metall war geschmolzen, und obgleich das Zimmer wenigstens fünfzehn Fuß hoch war, so hatte doch die auf die Stühle und die Möbeln herabtropfende Flüssigkeit kleine Löcher in dieselben gemacht. Ein Theil der Mauer war wie mit Pulver gesprengt, und die Fragmente waren mit einer Kraft auseinander getrieben worden, daß sie die Mauern auf der entgegengesetzten Seite des Zimmers einkerbten. Der Rahmen eines Spiegels war geschwärzt worden und die Vergoldung muß sich verflüchtigt haben, denn ein Riechfläschchen, das über dem Kamine stand, war mit hellen Metalltheilchen bedeckt, die so fest anhingen, als wenn sie emaillirt worden wären.

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