Die Heinzelmännchen zu Köln

Das war noch in der guten, alten Zeit, die wir Unzufriedenen oft seufzend im Mund führen, wo noch gutmütige Zwerge den Menschen hilfreich erschienen sind und sie mit mancherlei Beweisen freundwilliger Gesinnung beglückt haben. In Schluchten und Höhlen hatten sie zumeist ihre palastartigen Wohnungen aufgeschlagen und hüteten dort unermeßliche Metallschätze der Erde wie auch  andere Güter. Sind auch wohl als Bergleute und vortreffliche Metallarbeiter tätig gewesen, als welch letztere sie herrliche Kleinodien und Waffen, so den Schatz der Nibelungen verfertigten. Dort lebten sie, von Königen beherrscht, Freunde der Finsternis, die sie nicht meiden durften, wollten sie nicht an der Sonne zu Stein werden. Mit der Zeit aber durften sie ungestraft an die Oberfläche der Erde, wohin sie durch Zwergen- oder Quarxenlöcher gelangten, aber den Menschen allemal scheu auswichen. Wo sie früher zum Nutzen und Segen der Bevölkerung geschaltet und gewaltet haben, hat sie nun die fortschreitende Kultur vertrieben.

Niemand von uns hat je so ein Zwerglein gesehen. Ihre Größe war verschieden und wechselte von der Größe eines Daumens und einer Spanne bis zu der eines vierjährigen Kindes. Alle kennzeichnete ein verhältnismäßig sehr großer Kopf; den Körper verunstaltete häufig ein Höcker, doch sahen sie in ihrer Bergmannstracht und den Zipfelkappen recht possierlich aus. Heinzchen nannten sie wohl die Leute, auch Heinzelmännchen.

In jener guten, alten Zeit also gab’s auch  in der heiligen Stadt Köln solche Heinzelmännchen, und die biederen Kölner wußten viel Erbauliches von ihnen zu berichten. Gevatter Zimmerer und andere hatten dazumal mehr Feiertage, als im Kalender stehen. Legten die Zimmerleute sich auf die lange Bank, so kamen inzwischen die flinken Männlein und meißelten, sägten und hämmerten nach Herzenslust und –, also berichtet der poetische Chronist, dem wir hier folgen –, ehe der Zimmermann sich’s versah, stand das ganze Haus schon fertig da.

Ebenso ging es beim Bäckermeister zu. Während die Burschen schliefen, ächzten die Männchen mit den schweren Säcken daher, kneteten, wogen, hoben und schoben, und noch ehe die Bäckerjungen erwachten, duftete bereits das frische Brot auf dem Schiebebrett. Dem Fleischer widerfuhr dieselbe erfreuliche Heimsuchung; die nächtlichen Helfer hackten, mengten und mischten, und wenn der Gesell verschlafen sich die Augen rieb, hingen im Laden bereits die dampfenden Würste. Auch der Küfer erfreute sich des verschwiegenen Besuches der fleißigen Zwerge, und selbst Meister Zwirn –, wie ein Märchen klingt es –, wurde von ihrer Gunst beglückt. Einen Staatsrock hatte  ihm das würdige Stadtoberhaupt in Auftrag gegeben, und emsig führte des Meisters Hand die Nadel. Doch ihm erging es, wie es seither unzähligen Schneiderlein ergangen ist, die an heißen Sommertagen über den gekreuzten Knien die Nadel führen: er nickte ein. Und alsbald regte es sich in dem Zimmer; auf den Tisch schlüpften die Männchen und nähten und probierten und bügelten mit kundiger Hand. Als der Meister erwachte, war des Bürgermeisters Rock fertig. Darob war jener hocherfreut, und staunend stand seine Hausfrau und fand der rühmenden Worte nicht genug.

Ein jugendliches Weib ist’s gewesen, das der Fürwitz oft schon geplagt hat im Leben. Jetzt saß er ihr wieder im Nacken und raunte ihr loses Zeug ins Weiberohr, und in ihren Augen hat ein ergötzlicher Schelmengedanke aufgeblitzt.

Am Abend, als der Meister bereits schlief, erhob sich sachte sein Ehegespons und streute Erbsen auf die Treppenstufen sowie ins Zimmer, wo auf dem Tisch ein halbvollendetes Wams lag. Stellte sich dann mit einem Lichtlein, das sie unter der Schürze verborgen hielt, hinter die Tür und lauschte. Bald wurde es auf der Stiege lebendig. Dann vernahm sie  trippelnde Schritte, ein Hinschlagen, ein Ausgleiten, ein Fallen und Kollern, dazwischen Lärmen, Schreien und Verwünschungen. Hurtig ist des Schneiders schalkhaftes Weib hinuntergesprungen mit dem Licht; aber schon waren die entrüsteten Hausgeister verschwunden.

Seitdem sie damals in ihrem Tun belauscht wurden, sind die Heinzelmännchen niemals mehr in Köln gesehen worden, aber in einem Brunnen haben die Kölner sie verewigt.

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