Der Wildschütz Hermann Klostermann

Am 1. October 1867 ritt der Oberförster von Wrede aus Hardehausen im Kreise Warburg in den Wald, um eine Besichtigung seiner Forsten vorzunehmen. Er umritt die Grenzen seines Reviers und begab sich sodann auf den Rückweg. Es dunkelte bereits, als er abends gegen 6 Uhr einen Menschen erblickte, der vor ihm die Flucht ergriff und eilig in den Wald lief. Der Oberförster verfolgte ihn und rief ihm »Halt!« zu, erhielt aber in drohendem Tone die Antwort: »Nicht näher oder ich schieße!« Herr von Wrede ließ sich nicht schrecken, er drang weiter vor, plötzlich fiel ein Schuß, der Reiter und sein Roß brachen zusammen. Zum Glück waren zwei Forstlehrlinge in der Nähe, welche den Verwundeten nach Hardehausen schafften. Es wurde sofort nach dem Dr. Baruch in Rhoden geschickt, dieser kam noch denselben Abend, untersuchte den Patienten und machte folgende Wahrnehmungen: am linken Unterschenkel befanden sich 7 oder 8 runde, tief eindringende und stark blutende Wunden; aus einer derselben entfernte er ein plattgeschlagenes Hagel- oder Schrotkorn. Die Beschaffenheit der Wunden ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die Verletzungen von einem in geringer Entfernung abgefeuerten Schrotschusse herrührten. Der Arzt verordnete, was nöthig war, und die Heilung ging, obgleich der Knochen verletzt war und sich jedenfalls im Innern desselben noch verschiedene Schrotkörner befanden, über Erwarten gut von statten. Nach etwa fünf Wochen konnte der Oberförster von Wrede das Bett wieder verlassen und nach einigen Monaten seinen Dienst wieder versehen wie früher. Freilich ließ sich nicht mit Bestimmtheit sagen, daß Herr von Wrede vollständig hergestellt sei, denn es blieb immer möglich, daß die im Körper steckenden Schrote eine Entzündung des Knochens oder sonst ein Unwohlsein verursachten. Der Sachverständige bezeichnete mit Bezug hierauf und mit Rücksicht auf den Umstand, daß der Oberförster längere Zeit krank und dienstunfähig gewesen war, die Körperverletzung als eine schwere.

Der Verletzte hatte den Menschen, der auf ihn geschossen, nicht erkannt. Man erschöpfte sich in Muthmaßungen, die Polizei und die Gerichtsbehörden boten alles auf, um dem Verbrecher auf die Spur zu kommen, die Regierung in Minden setzte sogar eine Prämie von 200 Thlrn. auf seine Entdeckung, aber alles war vergeblich, der verwegene Wilddieb, der sich an dem Forstbeamten vergriffen, wurde nicht entdeckt.

Am 1, Februar 1868, nachmittags 3 Uhr, revidirte der waldeckische Forstbeamte Heinemann sein Revier. Er hörte in der Ferne zwei Schüsse fallen, und da er vermuthete, daß Wilddiebe im Walde sein möchten, rief er zwei in der Nähe arbeitende Holzhauer herbei und postirte sich mit ihnen an eine Stelle, welche die Frevler passiren mußten. Es dauerte nicht lange, da sahen sie einen Mann vorsichtig durch die Bäume schleichen, der einen Rehbock auf der Schulter trug. Es war Hermann Klostermann, ein berüchtigter Wilderer und dem Heinemann bereits aus einem frühern Rencontre wohlbekannt.

Heinemann trat vor und ging auf Klostermann zu, dieser ließ ihn bis auf fünf Schritte herankommen, dann legte er sein Gewehr an, zielte und gab Feuer. Der Schuß drang durch den Oberarm in die Brust und verletzte die Lunge. Heinemann stürzte nieder, die beiden Holzhauer sorgten dafür, daß er nach Hause transportirt wurde. Der Arzt, derselbe Dr. Baruch, welcher den Oberförster von Wrede behandelt hatte, ließ sich über seinen Befund und den Verlauf der Krankheit vor Gericht dahin vernehmen: An der vordern Seite des linken Oberarms in der Höhe der Achselhöhle zeigte sich eine Wunde mit Substanzverlust von der Größe eines Thalers in ovaler Form, die im Grunde den Delta-Muskel bloßlegte. Von dort aus führte eine flaschenförmige Oeffnung unterhalb des Schlüsselbeins etwa 3¼ – 4 Zoll lang zwischen der Haut und dem musculus pectoralis in den Wundkanal, in welchem sich bei der ersten Untersuchung Papier und wollene Fäden sowie ein Schrotkorn vorfanden.

Auf der Haut der Brust unterhalb des Schlüsselbeins bemerkte man zwei 4–5 Zoll lange Hautabschürfungen, welche offenbar von zwei Hagel- oder Schrotkörnern herrührten, die zwischen Bekleidung und Haut durchgegangen waren und letztere gestreift hatten. Heinemann war demnach durch einen in nächster Nähe abgefeuerten Schrotschuß verwundet, ein oder mehrere Schrotkörner hatten die Brusthöhle geöffnet und die Lunge getroffen. Die Verletzung war eine schwere, das Leben in hohem Grade gefährdende.

Heinemann wurde auf ein hartes, drei Monate andauerndes Krankenlager geworfen. Er schwebte dreimal am Rande des Grabes und nur seiner kerngesunden Natur und besonders günstigen Wirkungen der Arzneimittel war es zuzuschreiben, daß sein Leben gerettet wurde. Die Wunde eiterte aus, die fremden Körper wurden ausgeschieden, und Heinemann konnte wieder aufstehen. Seine volle Kraft und Gesundheit erlangte er indeß nicht wieder. Abgesehen davon, daß seine Lunge empfindlich und reizbar blieb, war auch der Oberarm in seiner wesentlichen Thätigkeit gestört und verstümmelt. »Heinemann«, so schloß der Arzt sein Gutachten, »kann die linke Hand, aber nicht den linken Oberarm gebrauchen, er ist ein hinsiechender Mann, der mit Einem Fuß im Grabe steht.«

Diesmal war der Thäter bekannt und man machte die größten Anstrengungen, ihn zu ergreifen. Es wurden Steckbriefe erlassen und die Sicherheitsbeamten befehligt, sich seiner zu bemächtigen. Die Regierung in Minden sowol als die Regierung des Fürstenthums Waldeck verhießen demjenigen, der Klostermann ergreifen würde, bedeutende Belohnungen. Ein Militärcommando besetzte das Dorf Westheim, wo er sich gewöhnlich aufhielt, und unternahm Streifzüge, ihn zu fangen, allein Klostermann hatte sich in die Wälder zurückgezogen, wo er jeden Schlupfwinkel kannte, und entging allen Verfolgungen. Er trieb sein Handwerk nach wie vor und fand auch Absatzquellen für das Wild, welches er erlegt hatte. Man mußte sich entschließen, die Wälder zu besetzen und zu durchsuchen. Militär, Gensdarmen und Forstbeamte wurden aufgeboten und die Treibjagd begann. Mehrere Monate lang kam ihnen Klostermann nicht zu Gesicht, sie hörten wol, daß er da und dort aufgetaucht sein solle, sie vernahmen auch mitunter einen Schuß und sahen die Spuren von kunstgerecht ausgenommenen Hirschen und Rehen, aber den kecken Wilddieb trafen sie nicht. Endlich am 24.Mai 1868 morgens zwischen 4 und 5 Uhr standen sie wieder im Orpethale auf Wache, es knallten zwei Schüsse und gleich darauf kam Klostermann mit einem Begleiter durch das Dickicht. Er hatte augenscheinlich seine Feinde, die im Gebüsch verborgen standen, nicht bemerkt. Ein Soldat pflanzt sein Bajonnet auf, dies verursacht Geräusch, die beiden Wilddiebe horchen und im nächsten Augenblick fliehen sie in großen Sätzen über eine nahe Wiese in den Wald. Man ruft ihnen zu, sie sollen stehen, aber sie eilen flüchtig von dannen, man schießt hinter ihnen drein, aber die Kugeln fehlen, sie erreichen die schützenden Bäume und stellen sich dort, als ein Soldat, Namens Struck, sie verfolgt, kampfbereit zur Wehr. Beide schlagen auf den Soldaten an, und einer von ihnen schießt, Struck wirft sich hinter einen Baum und das tödliche Blei saust an ihm vorüber. Nun feuert auch er und mit einem Schrei stürzt der eine Wilddieb zum Tode getroffen zu Boden, der andere rettet sich in den Wald.

Als man den Verwundeten aufsucht, liegt neben ihm das noch geladene Gewehr, das Zündhütchen ist mit wollenen Lappen verdeckt, er also ist nicht derjenige gewesen, welcher auf Struck geschossen hat. Der in seinem Blute schwimmende Wildschütz, ein gewisser Lohoff aus Oesdorf, starb nach wenigen Stunden, vorher aber theilte er noch mit: Klostermann habe ihm eingestanden, daß er auf den Oberförster von Wrede geschossen habe.

Im Lande waren alle erstaunt, daß Klostermann wieder entwischt war. Er wurde nachgerade zur mythischen Person, von der man Fabeln über Fabeln erzählte. Dieser wollte ihn in der Nähe des Dorfes, jener gleichzeitig mehrere Meilen davon gesehen haben. Man erzählte sich wunderbare Geschichten von seiner Geschwindigkeit und wie er die Polizei an der Nase herumgeführt habe. Es war zur Ehrensache für die Behörden geworden, den Wilderer, der ihrer so frech spottete, festzunehmen. Die Telegramme flogen hin und her, die Gensdarmerie war Tag und Nacht auf den Beinen, die Wälder wurden unermüdlich durchstreift und die Leitung der Verfolgung einem besonders gewandten Polizeiinspector Namens Schnepel übergeben, der eigens zu diesem Zwecke nach Westheim gesendet wurde. Wiederum verging Woche um Woche, und Klostermann war noch immer frei und lebte von des Königs Wild – es hieß, daß er die Hetzerei nun satt habe und nach Amerika auswandern wolle.

In der Nacht vom 13. zum 14. Juni pochte jemand an die Thür des Büchsenmachers Lutter in Brilon. Auf die Frage, wer denn da sei? gab sich Klostermann zu erkennen. Lutter ließ ihn ein, schloß die Hausthür zu und führte ihn in sein Schlafzimmer. Klostermann bat um eine Tasse Kaffee, Frau Lutter versprach, ihm die gewünschte Erquickung zu bereiten, stieg aber durch das Fenster der Wohnstube auf die Straße und eilte zum Polizeisergeanten Aust, dem sie Anzeige machte von dem Fange, den er thun könnte. Aust nahm zwei Polizeidiener mit und schlich sich mit ihnen auf den Knien rutschend bis an die Fenster des Lutter’schen Hauses. Lutter, dem seine Frau vorher einen Wink gegeben hatte, öffnete die Thür, die Polizeibeamten eilten durch das Haus in die Schlafstube, wo sie Klostermann auf dem Rande des Bettes sitzend bei einer Tasse Kaffee antrafen. Er war so vollständig überrascht, daß er weder zu fliehen noch Widerstand zu leisten versuchte. Er ward gefesselt und ins Gefängniß gebracht. Am andern Morgen meldete der Telegraph die frohe Kunde, daß Klostermann gefangen sei. Der größern Sicherheit wegen transportirte man ihn bald darauf nach Paderborn.

Charakteristisch für die damalige Stimmung der Bevölkerung ist eine Stelle aus einem Briefe Lutter’s an den Oberförster von Wrede, sie lautet: »In der Zeit von einer Stunde, die Klostermann bei mir war, wurde mir viel erzählt, welches mir noch jetzt graust, wenn ich daran denke. Namentlich glaubte er doch in Freiheit zu entkommen, denn es war sein Vorsatz, so wie er dort in Paderborn und Waldeck die Leute in Respect gesetzt hatte, so sollte es bei uns im Sauerlande auch gehen. Es fiel mir ein bei den Reden Napoleon in Rußland, ein Gott im Himmel und ein Kaiser auf Erden, da wurde er geschlagen. So ging es auch Rinaldo Klostermann, auf diese Weise wurde er gefangen. Wäre er aber nochmals znr Freiheit gekommen, so hätte es noch Wild und auch Menschenleben gekostet.«

Es wurde gegen Klostermann Criminaluntersuchung eingeleitet und er am 17.Juni zum ersten mal gerichtlich vernommen. Er stellte alle Verbrechen, die man ihm zur Last legte, in Abrede und behauptete: er sei am 1.October 1867 und am 1.Februar 1868 den ganzen Tag über in Westheim gewesen, mithin sei er unschuldig an den Wunden des Oberförsters von Wrede und des Forstaufsehers Heinemann. Seine Flucht durch das Orpethal räumte er ein, leugnete aber, auf den Soldaten Struck geschossen zu haben.

Ueber sein früheres Leben ist Folgendes zu bemerken: Klostermann war 29 Jahre alt, evangelischer Religion und zu Retzin im Regierungsbezirk Potsdam geboren. Sein Vater war Müller, starb aber schon, als der Sohn erst vier Jahre alt war, seine Mutter verheirathete sich zum zweiten male an den Förster Dalchov. Bis zu seinem vierzehnten Jahre besuchte er die Schule, später hütete er im Sommer die Kühe, im Winter spaltete er Holz. Ein Handwerk lernte er nicht. In seinem siebzehnten Jahre zog er mit seiner Mutter in das Dorf Scherfede, wo letztere starb. Mit seinem Stiefvater lebte er in Unfrieden und zerfiel zuletzt mit ihm ganz und gar.

In den Jahren 1857 – 59 erfüllte Klostermann seine Militärpflicht bei dem 15. Infanterieregiment. Er war jedoch ein unfolgsamer, schlechter Soldat und wurde 23 mal gestraft. Später erwarb er sich seinen Lebensunterhalt als Handarbeiter in Essen, Altenbeken und Bonenburg. Das Arbeiten gefiel ihm indeß nicht, und er fing an, auf fremdem Gebiete zu jagen und das erlegte Wild zu verkaufen. Jetzt war er in seinem Element, er wurde ein trefflicher Schütze und trieb den Wildprethandel en gros. In Westheim und in Oesdorf hatte er sein Hauptquartier, jedoch nur im Winter, denn den größten Theil des Jahres lebte er im Walde. Hier wußte niemand so gut Bescheid wie Klostermann. Sein Revier vergrößerte er immer mehr und am glücklichsten war er, wenn er die Büchse im Arme und die Pfeife im Munde einem Wilde nachspürend in heller Mondnacht durch die Wälder strich. Er hatte nur zwei Leidenschaften: Jagen und Rauchen. Umgang mit dem schönen Geschlecht pflog er selten, indeß war er bei Tänzen und andern Lustbarkeiten gern gesehen, denn es gab keinen flottern und flinkern Tänzer als ihn und stets hatte er eine offene Hand. Es hieß, daß er auch eine Geliebte habe, die mitunter wochenlang mit ihm in den Wäldern sich aufhalte; möglich, daß es wahr ist, aber eine sonderlich heftige Neigung hat er nicht gehabt. Ueber seiner Pfeife und dem Pürschgang vergaß er die Mädchen und die Zechgelage der andern Burschen.

Seine Schnelligkeit grenzte an das Wunderbare, er lief mit den Thieren des Waldes fast um die Wette und einzelne Fälle, in denen er wirklich Erstaunliches geleistet hatte, wurden actenmäßig festgestellt.

Natürlich konnte es nicht fehlen, daß er bei seinen Wilddiebereien mit den Forstschutzbehörden in Conflicte gerieth, und auch, daß er sich einen falschen Bart zulegte, der ihn ziemlich unkenntlich machte, schützte ihn nicht immer. Er war bereits sieben mal bestraft, als die letzte große Untersuchung begann:

1) Am 19. September 1862 vom Kreisgericht in Arolsen wegen Betretens eines fremden Jagdreviers mit einem Gewehre mit 5 Thlrn. Geldstrafe gleich 10 Tagen Gefängniß;

2) am 25. September 1862 von derselben Behörde wegen Vermögensbeschädigung mit 3 Thlrn. Geldstrafe gleich 3 Tagen Gefängniß;

3) am 7. November 1862 von der Gerichtsdeputation in Büren wegen gewerbmäßigen Jagdvergehens mit 6 Monaten Gefängniß, Untersagung der bürgerlichen Ehrenrechte und Stellung unter Polizeiaufsicht auf ein Jahr;

4) am 15. April 1864 vom Kreisgericht in Warburg wegen Bruchs der Polizeiaufsicht mit 8 Tagen Gefängniß;

5) am 18. October 1864 von demselben Gericht wegen gewerbmäßiger Jagdcontravention im Rückfalle und versuchter Bestechung mit 7 Monaten Gefängniß, Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte und Stellung unter Polizeiaufsicht auf 2 Jahre;

6) am 10. Juni 1865 vom Kreisgericht in Arolsen wegen unbefugten Betretens eines fremden Jagdgebietes mit einem Schießgewehr mit 14 Thlrn. Geldbuße gleich 14 Tagen Gefängniß;

7) am 27. Juli 1866 vom Kreisgericht in Brilon wegen wiederholter gewerbmäßiger Jagdcontravention im wiederholten Rückfalle, wegen Zwanges eines Beamten zur Unterlassung einer Amtshandlung durch Drohung, und wegen Zwanges einer Person zur Unterlassung einer Handlung durch Drohung mit Verübung eines Verbrechens zu einem Jahre Gefängniß, Untersagung der bürgerlichen Ehrenrechte auf 1 Jahr und Stellung unter polizeiliche Aufsicht auf 3 Jahre. Die Strafe wurde durch Cabinetsordre vom 17. December 1866 auf 9 Monate ermäßigt und bis zum 23. April 1867 verbüßt.

Die Strafen hatten den Wildschützen Klostermann nicht gebessert, sondern ihn nur trotziger und entschlossener gemacht. Er knirschte mit den Zähnen, wenn er seinen geliebten Wald verlassen und in das Gefängniß wandern mußte. Vor Gericht gestand er niemals; so oft er eine Strafe erlitten hatte, kehrte er zu seinem Gewerbe zurück und beschloß, bei dem nächsten Rencontre sich nicht wieder gutwillig verhaften zu lassen. Seine Verwegenheit war bereits vor seinem Zusammentreffen mit Herrn von Wrede so hoch gestiegen, daß es ihm auf Blutvergießen nicht ankam. So sah ihn der Flurschütz Brune am 20. Juli 1865 aus dem Cansteiner Walde kommen und mitten durch die Fruchtfelder laufen. Sein Anrufen: »Halt! Bleib stehen!« beantwortete Klostermann damit, daß er sein Gewehr unter dem Kittel hervorzog, es auf Brune anlegte und ihm zurief: »Bleib stehen, oder du kriegst die Kugel!« Als Brune sich nicht abschrecken ließ, sondern sich näherte, drohte er ihm alles Ernstes: »Zurück, oder du stürzest zu meinen Füßen!«

In ähnlicher Weise verfuhr Klostermann am 28. Februar 1866 dem Holzhauer Vahle gegenüber im fürstlich waldeckischen Forstorte Mühlenberg. Der Wildschütz war gerade damit beschäftigt, einen von ihm erlegten Rehbock auszuweiden. Ein Forstbeamter überraschte ihn und befahl dem Vahle, das Wildpret in Beschlag zu nehmen. Der Holzhauer sprang hinzu, aber Klostermann hatte nicht Lust, sich seine Beute entreißen zu lassen. Er schlug auf Vahle an mit den Worten: »Wollen Sie abtreten oder nicht?« Erst das Herannahen des Forstbeamten nöthigte ihn, den Rehbock im Stiche zu lassen und die Flucht zu ergreifen.

Einige Zeit nachher traf Klostermann um Mitternacht mit dem Ackersmann Stratmann in Westheim zusammen. Er legte sein Gewehr an und rief: »Zurück, oder ich schieße!« Stratmann eilte in sein Haus. Auf die etliche Tage nachher an Klostermann gerichtete Frage: ob er wirklich geschossen haben würde? erwiderte er kaltblütig: »Gewiß hätte ich das gethan!«

Im Volksmunde circuliren eine große Zahl von Geschichten, Charakterzügen und Anekdoten über Klostermann, sodaß es schwer hält, die Wahrheit von der Dichtung zu unterscheiden. Wir theilen nur einiges mit, was wir aus völlig zuverlässiger Quelle geschöpft haben. Der Dr. Baruch in Rhoden, selbst ein Jagdliebhaber, hatte ihn ärztlich behandelt. Klostermann bat sich, nachdem er genesen war, die Rechnung aus, Baruch sagte ihm, daß er von armen Leuten keine Zahlung annehme, hierauf erwiderte Klostermann: »Nun, dann bleibt mir nichts übrig, als mich in anderer Art erkenntlich zu zeigen. In Ihrem Jagdreviere steht ein Rehbock, den werde ich Ihnen lassen.«

Im Jahre 1864 hatte Klostermann dem Restaurateur auf dem Schützenfeste in Warburg eine große Anzahl Rehe geliefert. Ein Gerichtsbeamter machte die Bekanntschaft des damals schon sehr renommirten Wilddiebes und erfuhr zu seinem Leidwesen, daß wahrscheinlich mehrere von den Rehen, die verspeist wurden, in seinem Jagdbezirke erlegt worden seien. Er machte dem Klostermann deshalb Vorwürfe und dieser bat ganz gemüthlich um Entschuldigung, mit dem Hinzufügen, in Zukunft wolle er dieses Revier schonen, es komme ihm darauf nicht an, da ihm ja die ganze Gegend zur Verfügung stehe. Kurz darauf wurde Klostermann wegen gewerbmäßiger Ausübung der Jagd in Warburg verhaftet. Derselbe Beamte führte bei dem Untersuchungsrichter das Protokoll; als letzterer sich einmal auf einige Minuten entfernte, machte er den Angeschuldigten, der frech alles in Abrede stellte, was man ihm zur Last legte, darauf aufmerksam: das Leugnen werde wol vergeblich sein, er habe ihm doch auf dem Schützenfeste eingestanden, daß er Wild in fremden Jagdbezirken geschossen habe. Klostermann antwortete sichtbar erregt: »Herr, ich halte Sie für zu nobel, als daß Sie von unsern Privatgesprächen Gebrauch machen werden.«

Er verlor, wenn er verfolgt wurde und die Häscher dicht hinter ihm waren, niemals die Gegenwart des Geistes. In der Nacht vom 4. zum 5. Februar 1868 hatten Polizeidiener und Gensdarmen das Haus in Oesdorf, wo er übernachtete, umringt, er wollte durch das Fenster springen und sich durch die Flucht retten. Ein Gensdarm faßte ihn beim Fuße und rief: »Ich habe ihn schon.« Klostermann riß sich los, lief an ein anderes Fenster, schoß hinaus und machte dadurch glauben, daß er dort entfliehen wolle. Im Nu war er wieder an einem andern, nun unbewachten Fenster; blos mit einem Hemde bekleidet sprang er hinaus und stürmte fort in den Wald. In der Tasche seines Rockes fand man ein Exemplar des wider ihn erlassenen Steckbriefs nebst Signalement. Schon nach zwei Tagen war Klostermann von Kopf bis zu Fuß neu bekleidet, mit Gewehr und Jagdtasche versehen.

Ein andermal war die Polizei ihm wieder auf den Fersen, er trug einen frischerlegten Rehbock und wollte ihn nicht preisgeben. Da sieht er mehrere Bauern, die Dünger auf einen Wagen laden; rasch wirft er das Wild auf den Wagen, borgt sich von einem der Bauern einen Kittel, den er im Fluge anzieht, und antwortet auf die Frage des gleich darauf an den Wagen tretenden Polizeidieners: ob sie Klostermann nicht gesehen hätten? keck: »Den kennen wir nicht.«

Als im Frühjahr 1868 ein Militärcommando das Dorf Westheim besetzte, um ihn zu arretiren, war er wirklich im Dorfe. Ein Signalschuß gab das Zeichen, daß die Durchsuchung der Häuser beginnen sollte. Klostermann verließ seine Wohnung und ging in den anstoßenden Garten; hier kroch er in eine leere Kalkgrube, ein Mädchen deckte sie mit Bretern zu und legte oben darauf Unkraut, welches sie schnell zusammengerafft hatte.

Endlich hatte ihn das Schicksal doch erreicht, er saß hinter Schloß und Riegel, die Untersuchung wider ihn begann und Klostermann, auf diesem Felde wenig gewandt, wußte nichts anderes zu thun, als mit dreister Stirn alles zu leugnen. Wir theilen die Resultate der umfangreichen, mit Fleiß und Scharfsinn geführten Criminalprocedur in drei Abschnitten mit, die sich von selbst ergeben, weil ihm ein dreifacher Angriff auf Forstbeamte schuld gegeben wurde.

I. Das Attentat auf den Oberförster von Wrede in Hardehausen.

Daß Klostermann den Oberförster von Wrede kannte, war zwar nicht direct zu beweisen, aber man mußte es eigentlich annehmen, denn er hatte oft in den hardehauser Forsten gejagt, die Förster und Oberförster betrachtete er als seine Hauptfeinde, und ein Mensch wie er, welcher den ganzen Tag in den Wäldern lag, hatte Gelegenheit genug, dem Oberförster von Wrede zu begegnen. Ueberdies hatte er bereits vor mehrern Jahren zum Büchsenmacher Lutter gesagt: er wolle den Oberförster von Wrede, der so, sehr hinter ihm her sei, noch einmal tüchtig mitnehmen.

Wir erwähnten schon, daß von Wrede den Mann, der ihn schoß, nicht erkannte. Er erzählt den Vorfall so: »Ich ritt am 1. October nachmittags um 4 Uhr aus, um in dem zu meiner Oberförsterei gehörenden Bezirk Mittelwald eine Grenzrevision vorzunehmen. Dieses Geschäft nahm mich etwa 1½ Stunde in Anspruch. Dann kehrte ich in der Richtung von Blankenrode nach Hardehausen zurück. Als ich circa eine halbe Stunde geritten war und in den District Eselsweg und Hittchenberg kam, war es dämmerig geworden. Ich sah auf dem Wege von Hardehausen her in einer Entfernung von 60–70 Schritt einen Menschen auf mich zukommen, der eine graulich-grüne Joppe trug. Sobald er mich erblickte, verließ er den Weg und sprang in den Wald Hittchenberg. Ich ritt in scharfem Galop auf ihn zu und rief: »Wer da!« Aus dem Dickicht erscholl in einem fremden, oder doch in unserer Gegend nicht üblichen Dialekt die Antwort: »Zurück, oder ich gebe Feuer!« Ich vermuthete den Forstlehrling Berendes in der Nähe und pfiff auf dem Finger, daß er herbeikommen solle. Berendes ließ nichts von sich hören. Ich setzte hierauf mit meinem Pferde über den Graben, der den Wald vom Wege trennte, und ritt weiter in der Richtung, von welcher die Stimme gekommen war. Plötzlich ertönte aus nächster Nähe der Ruf: »Nicht weiter, oder ich gebe Feuer!« Einen Menschen sah ich nicht, vernahm aber in dem Gebüsch ein Geräusch. In demselben Augenblicke fiel ein Schuß, der mich unterhalb des linken Kniegelenkes in das Bein traf und auch mein Pferd verwundete. Ich stürzte nieder und konnte mich nur mit Mühe wieder aufraffen. Mit Hülfe der Forstlehrlinge Berendes und Ritter, die zu mir eilten, wurde ich nach Hause gebracht. Meiner Ansicht nach war es zwischen ¾6 und 6 Uhr, als der Angriff auf mich erfolgte.«

Diese Zeitangabe wurde von dem Förster Hamann bestätigt. Er wohnte etwa zwanzig Minuten entfernt von jener Stelle in Mittelwalde und nahm am 1. October in seinem Garten Aepfel ab. Gegen Abend hörte er aus der Richtung vom Hittchenberge einen Schuß fallen, er sah nach seiner Uhr und diese zeigte auf 15 Minuten vor 6.

Die Entfernung vom Orte der That bis Westheim, wo Klostermann damals wohnte, beträgt eine Wegstunde, indeß stimmten die abgehörten Zeugen darin überein, daß der Angeschuldigte den Weg recht gut in einer halben Stunde zurücklegen könnte.

Es kam nun darauf an, zu ermitteln, wo Klostermann, in der kritischen Zeit sich befunden und wie er sich nach der That verhalten hatte. Die Untersuchung lieferte in dieser Beziehung die gravirendsten Indicien.

Am Abend des 1. Oktober 1867 kam Klostermann in das von den Eheleuten Fleckner in Westheim bewohnte Haus. Die Dunkelheit war bereits eingetreten und deshalb kurz vorher Licht angezündet worden; auch die Abendglocke hatte geläutet, was um jene Zeit gegen 6 Uhr zu geschehen pflegt. Bestimmter konnten Fleckner und seine Frau die Stunde nicht angeben, denn sie besaßen damals keine Uhr, sondern erhielten eine solche erst später von Klostermann geschenkt. Dieser war mit einer Joppe bekleidet und führte ein Jagdgewehr bei sich. Er sprach davon, daß seine Beinkleider ausgebessert werden müßten. Nach etwa einer Viertelstunde ging er wieder fort. Am andern Morgen besuchten sie ihre Nachbarin, die Witwe König, und theilte ihnen mit: es habe einer im Walde auf den Oberförster von Wrede geschossen. Da schöpften sie Verdacht, daß Klostermann vielleicht der Thäter sei, und beschlossen, Tag und Stunde, wo er bei ihnen gewesen, zu merken.

Am 3. October kam Klostermann abermals zu ihnen und erzählte ihnen nun selbst, daß auf den Oberförster von Wrede geschossen worden sei. Er veranlaßte sie, die Zeit, wann er am 1. October zu ihnen eingetreten, zu notiren, und es wurde infolge dessen auf einen Zettel geschrieben: »Den ersten Dienstag nach Michaeli, ungefähr ¼ nach 6 Uhr abends.«

Nimmt man an, daß Klostermann ¾6 Uhr den Schuß abgefeuert und sich dann im Geschwindschritt nach Westheim begeben hat, so konnte er ein Viertel nach 6 Uhr dort eintreffen.

Die Witwe König vermochte den Tag nicht genau zu bezeichnen, indeß wußte sie, daß Klostermann eines Abends kurz nach Michaeli zu ihr gekommen war. Die Abendglocke hatte eine Stunde vorher geläutet und es brannte Licht. Damals entspann sich folgendes Gespräch:

Klostermann. Haben Sie nichts Neues gehört?

Die König. Nein, ich wüßte nichts, ich komme auch nicht heraus.

Klostermann. Auf den Oberförster von Wrede in Hardehausen ist geschossen worden. Ich bin nun einmal ein Wilddieb. Es wird doch alles auf mich geschoben, deshalb habe ich auch bei mehrern die Stunde angegeben, wann ich dort gewesen bin.

Erst am folgenden Tage will die Witwe König ihrem Nachbar Fleckner mitgetheilt haben, was sie von Klostermann erfahren hatte, und an dem nämlichen Tage sei der Angeschuldigte wiederum zu ihr gekommen und habe zu ihr gesagt: »Der Oberförster hat mich freigesprochen, es ist ein Mann von kleinerer Statur als ich gewesen und hat einen Bart getragen.« Auch den Gastwirth Sievers, die verehelichte Mergel und den Lehrer Koch in Westheim besuchte Klostermann am Abend des 1. October, und am 3. October erinnerte er sie daran, daß er zwei Tage vorher bei ihnen gewesen sei, und bemerkte: »Der Herr Oberförster habe ihn freigesprochen.«

Der Untersuchungsrichter hielt dem Inquisiten die Aussagen dieser Zeugen vor; er blieb dabei, daß er am 1. October den ganzen Tag in Westheim gewesen sei. Die Abendbesuche gab er zu, wollte aber ohne Gewehr zu Fleckners gekommen sein und die von der Witwe König erwähnten Aeußerungen nicht gethan haben. Er behauptete: Abends um 10 Uhr am 1. October sei er mit der Post nach Stadtberge gefahren und sofort in den Wald gegangen, um zu wildern. Die Nacht und den folgenden Tag habe er sich im Walde aufgehalten und erst am Abend des 2. October sich zum Einkaufen von Lebensmitteln nach Stadtberge begeben. Dort habe er zuerst gehört, daß am Abend zuvor zwischen 6 und 7 Uhr auf den Oberförster von Wrede im Walde geschossen worden sei. Die Nacht vom 2. zum 3. October und den 3. October am Tage sei er wieder im Forste geblieben und am Abend nach Westheim zurückgekehrt. Erst um diese Zeit habe er der Witwe König und andern Personen das Attentat auf den Oberförster erzählt.

Klostermann war jedoch auch nachher nicht vorsichtig gewesen und hatte Reden geführt, die auf seine Schuld schließen ließen. So frug er einige Tage nach dem Vorfall die Frau Stratmann in Westheim: »Haben Sie schon gehört, von Wrede ist geschossen?« Auf die Antwort der Frau Stratmann: »Haben Sie schon gehört, Klostermann hat es gethan«, erwiderte er: »Wenn er etwas höher gehalten hätte, würden sich die Förster wol alle freuen.«

Zu einem gewissen Hartwig aus Westheim sagte er etwa am 4. oder 5. October: »Die Leute erzählen, ich hätte es gethan, der Oberförster hat mich aber freigesprochen. Ich freue mich, daß er geschossen worden ist, er hätte sollen zurückbleiben.«

Zu der Witwe Wahle in Stadtberge, die eine Gastwirthschaft hatte, kam Klostermann eines Tages im Spätherbst 1867 und äußerte im Laufe des Gesprächs: »Ich weiß, wer den Oberförster von Wrede geschossen hat. Wenn auf die Entdeckung des Thäters 20000 Thaler gesetzt würden, wollte ich ihn angeben. Ich schenkte dann der Frau und den Kindern des Wildschützen einige tausend Thaler und ginge mit dem Rest nach Amerika.«

Der Bierbrauer Mergel aus Westheim sprach mit Klostermann über die That und sagte: »Man ist dem Menschen, der geschossen hat, auf der Spur.« Der Angeschuldigte lachte und erwiderte: »Sie kriegen ihn doch nicht. Es ist schade, daß der Oberförster nicht mehr bekommen hat.«

Der Ortsvorsteher Bielefeld in Westheim that dem Klostermann, als er mit ihm zusammentraf, Vorhalt und warnte ihn ernstlich, er wurde verlegen und antwortete kleinlaut: der Oberförster habe ihn freigesprochen.

Es traten aber auch noch Zeugen auf, die förmliche außergerichtliche Geständnisse Klostermann’s bekundeten. Zunächst der Büchsenmacher Lutter: Ihm erzählte der Inquisit in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni, der Schuhmacher Lohoff aus Oesdorf habe vor seinem Tode gebeichtet und bekannt, daß er (Klostermann) auf von Wrede geschossen habe, es sei gut, daß er lutherisch sei, dann brauche er es doch nicht zu beichten.

Als Klostermann in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni verhaftet und in das Gefängniß abgeliefert wurde, brachte der Gefangenwärter Engemann das Gespräch auf die Verwundung des Oberförsters. Der Gefangene antwortete: »Der hat einen in den großen Zeh gekriegt, daran wird er nicht sterben; er hätte sollen hinter mir wegbleiben.«

Die Witwe des erschossenen Lohoff bezeugte: »Eines Tages war Klostermann in unserm Hause, ich hörte im Vorbeigehen, daß er meinem Manne erzählte, er habe auf den Oberförster von Wrede geschossen und bedauere nur, daß er ihn so schlecht getroffen habe, das nächste mal wolle er es besser machen. Einige Zeit später äußerte er: Jetzt hat man es oben und unten probirt, nächstes mal macht man es besser.«

Der Dr. Baruch leistete dem tödlich getroffenen Schuhmacher Lohoff in seinen letzten Stunden ärztlichen Beistand. Auf Lohoff’s Wunsch blieb er mit ihm allein. Der Sterbende frug, ob der Geistliche, den er verlangt habe, noch immer nicht eintreffe? Dann winkte er und sagte mit leiser Stimme: »Der Klostermann ist ein gar zu schlechter Kerl, er ist selbst dem Teufel zu schlecht. Er ist schuld an meinem Unglück, daß ich hier bluten muß. Der Hund hat auch Ihren Förster geschossen.«

Baruch erwiderte: »Sie meinen wol den Forstbeamten Heinemann. Das wissen wir schon längst.« Lohoff fiel ein: »Ja, und auch den hardehäuser Oberförster. Ich weiß es aus Klostermann’s eigenem Munde, er hat mir den Vorfall ganz genau erzählt, auch wo er auf ihn geschossen hat.«

Dr. Baruch wollte den mit dem Tode ringenden Mann nicht quälen und frug deshalb nicht nach den Details, sondern begnügte sich, den Polizeidiener Kobbe und den Chirurg Bundschuh hereinzurufen, in deren Gegenwart Lohoff seine Angaben wiederholte. Er war dabei noch vollkommen klaren Geistes und hatte augenscheinlich das Bedürfniß, sein Gewissen zu entlasten.

Als der Untersuchungsrichter diese geradezu erdrückenden Angaben der Zeugen eine nach der andern dem Angeschuldigten vorhielt, konnte er sich nur dadurch vertheidigen, daß er alle diese Zeugnisse für falsch erklärte.

II. Der Angriff auf den Forstbeamten Heinemann.

Der Verletzte selbst war der Hauptzeuge. Er gab an: »Am Morgen des 1. Februar 1868 begab ich mich in den zu meinem Reviere gehörigen waldeckschen Forst zwischen Rhoden und Holminghausen, um eine Revision vorzunehmen und die dort arbeitenden Holzhauer zu beaufsichtigen. Gegen 3 Uhr nachmittags hörte ich in dem benachbarten Forstreviere zwei Schüsse fallen. Ich vermuthete, daß Wilddiebe dort wären, und forderte zwei Holzhauer, August und Karl Beneke, auf, mich zu begleiten und mir die Frevler festnehmen zu helfen. Ich dachte gleich daran, daß wir vielleicht den berüchtigten Wilddieb Klostermann antreffen würden, und legte mich mit den Holzhauern, um ihm den Rückweg nach Westheim abzuschneiden, gegen achtzig Schritte von der über den Orpebach führenden Denkelbrücke in ein Tannendickicht in den Hinterhalt. Nach etwa einer Viertelstunde kam Klostermann, der mir von früher her wohlbekannt war, auf uns zu. Er war mit einem Doppelgewehr bewaffnet, mit einer grauen Jacke mit grünem Kragen, grauer Hose und grauer Pelzmütze bekleidet und trug ein frischgeschossenes Reh auf der linken Schulter. Um ihn sicher zu ergreifen, befahl ich dem August Beneke, von der einen Seite auf ihn loszugehen, während Karl Beneke und ich von der andern Seite durch das Dickicht vorbrechen wollten. Ich war nur noch 4 – 5 Schritte von Klostermann entfernt, da wurde er mich gewahr. Er rief dem August Beneke zu: »Weg, da haben Sie Ihre Buddel liegen lassen«, legte sein Gewehr an, feuerte und ich fiel zur Erde.«

Die Gebrüder Beneke stimmten in allen wesentlichen Punkten mit der Aussage Heinemann’s überein, Klostermann wurde ihnen vorgestellt und von Karl Beneke mit höchster Wahrscheinlichkeit, von August Beneke mit dem Bemerken recognoscirt: »Wenn nicht ein anderer existirt, der gerade so aussieht, so muß es der mir vorgestellte Klostermann gewesen sein.«

Die Witwe Lohoff bezeugte: Klostermann sei in Abwesenheit ihres Mannes in ihr Haus gekommen und habe ihr erzählt, daß er den Forstbeamten Heinemann geschossen habe.

Der Angeschuldigte leugnete trotz alledem, und jeder Versuch des Untersuchungsrichters, ihn zu einem Geständnisse zu bewegen, war vergeblich.

III. Das Zusammentreffen Klostermann’s mit dem Soldaten Struck.

In demjenigen Theile des waldecker Forstes, welcher hierbei in Frage kommt, befindet sich ein vom Orpebach durchströmtes Thal. Auf der einen Seite, in der Richtung nach Westheim, liegt der Wormsberg, auf der andern der Große und Kleine Mühlenberg, rechts von diesem der Braunewald. Zwischen dem Großen und Kleinen Mühlenberg geht das Wiesenthal unter dem Namen »Zimmermannsgrund« eine Strecke in den Wald hinein. Gegenüber ist in der Orpe ein Wehr und höher hinauf dem Braunewald gegenüber die Denkelbrücke.

Am 24. Mai 1868 morgens 4 Uhr wurde dieses eben beschriebene Terrain von einem aus 13 Mann bestehenden Militärpiket, Gensdarmen und Forstbeamten in fünf Posten besetzt. Posten Nr. 1 stand im Großen Mühlenberge links vom Zimmermannsgrund, Posten Nr. 2 im Kleinen Mühlenberge, Posten Nr. 3 und 4 im Braunewald, Posten Nr. 5 im Wormsberg. Gegen 4½ Uhr hörte der Posten Nr. 5 einen Schuß fallen und etwa ¾ Stunden später kamen zwei Personen, die Gewehre trugen, auf 60–80 Schritte an ihm vorüber. Der Posten ließ sie der empfangenen Anweisung gemäß passiren. Die beiden Männer überschritten den Orpebach am Wehre und wandten sich nach dem Zimmermannsgrund; plötzlich blieben sie stehen, sie hatten ein Geräusch gehört, welches dadurch entstanden war, daß ein Soldat von dem Posten Nr. 2 sein Bajonnet aufpflanzte. Der Forstbeamte Scharf trat vor und rief ihnen zu: »Halt! die Gewehre ab!« Beide ergriffen die Flucht nach dem Großen Mühlenberge. Mehrere Posten verließen hierauf ihre Stellung und sandten den Flüchtlingen etwa zehn Schüsse nach, die indeß sämmtlich vorbeigingen. Die Verfolgten erreichten den Großen Mühlenberg, fast zu gleicher Zeit mit ihnen kam auch der Soldat Struck dort an, der seinen Kameraden voraus war. Die Wilddiebe schlugen beide ihre Gewehre auf ihn an und einer feuerte. Das Schrot schlug in die ringsum stehenden Bäume, hinter denen er Deckung gesucht hatte. Struck schoß nun seinerseits und traf den einen Wilddieb, der sich nachher als der Schuhmacher Lohoff auswies.

Klostermann hatte gegen diesen von vielen Zeugen übereinstimmend beschriebenen Hergang nichts einzuwenden. Er räumte ein, daß alles sich so zugetragen habe, nur Eins sei unrichtig: er habe sein Gewehr nicht auf Struck angelegt, er habe nicht geschossen.

Der Soldat Struck vermochte nicht zu behaupten, daß Klostermann sein Gewehr abgefeuert habe, aber dennoch konnte es Lohoff nicht gewesen sein, denn sein Gewehr lag, wie wir uns erinnern, noch geladen und mit Zündhütchen versehen neben ihm auf dem Platze, wo er zum Tode getroffen zusammengebrochen war.

Nach dem Schlusse der Voruntersuchung versetzte der Criminalsenat des Appellationsgerichts in Paderborn den Angeschuldigten in den Anklagestand wegen Mordversuchs in drei Fällen, wegen Angriffs auf Beamte, resp. vorsätzlicher Mißhandlung derselben während der Ausübung ihres Berufs in zwei Fällen, beziehungsweise wegen Widersetzlichkeit gegen einen Forstbeamten. Die Verhandlung wurde vor das Schwurgericht in Paderborn verwiesen und demgemäß von dem Oberstaatsanwalt Anklage erhoben.

Vor dem Termin zur Verhandlung beantragte der Vertheidiger die Vorladung einer großen Menge von Entlastungszeugen, durch die er darzuthun hoffte, daß sich ein dem Angeklagten ganz ähnlicher und vielfach mit ihm verwechselter Wilddieb, also ein Doppelgänger, seit längerer Zeit in den Wäldern herumtreibe, und daß dieser und nicht Klostermann auf Wrede und Heinemann geschossen haben möge. Allein der Angeschuldigte selbst kreuzte diesen Vertheidigungsplan. Er zeigte an, daß er ein Geständniß ablegen wolle, hierauf wurde er vorgeführt, sagte aber doch nur die halbe Wahrheit. Seine Angaben gingen dahin: »Am 1. October 1867 gegen 3 Uhr nachmittags verließ ich Westheim und wollte in den Tenge’schen Waldungen auf den Anstand gehen. Ich trug eine graue Joppe mit grünem Kragen und führte ein Doppelgewehr bei mir. Ich blieb bis zum Beginn der Dunkelheit auf dem Anstande, ohne ein Wild zu treffen, dann trat ich den Rückweg über Blankenrode an und passirte die Districte Eselsweg und Hittchenberg. Als ich quer über die von Harrehausen kommende Chaussee ging, sah ich in einer Entfernung von einigen hundert Schritt jemand auf mich zureiten, konnte aber weder das Pferd noch den Mann erkennen. Ich bog links ab in den Wald. Der Reiter sprach einige Worte, ich verstand ihn aber nicht und weiß auch nicht, was ich geantwortet habe, denn ich war ängstlich geworden und aufgeregt. Der Reiter drang mit seinem Pferde auf mich ein, als wenn er mich überreiten wollte. Um mich zu schützen, nahm ich das Gewehr von der Schulter, spannte es und legte auf das Pferd an. Ich hielt so niedrig, daß ich nur das Pferd treffen konnte, nicht den Reiter. Nachdem ich Feuer gegeben hatte, hörte ich ein »Bumsen«, wie wenn etwas auf die Erde fällt. Ich kehrte mich jedoch nicht daran, sondern lief, so schnell ich konnte, durch das Warburger Holz nach Westheim, wo ich mich zunächst zu den Fleckner’schen Eheleuten begab. Als ich mit dem Reiter zusammentraf, mochte es 15 Minuten vor 6 Uhr sein und 15 Minuten nach 6 Uhr war ich in Westheim bei Fleckners. Am Abend des 2. October hörte ich in Stadtberge davon sprechen, daß am Abend zuvor den Oberförster von Wrede geschossen worden sei, nun fiel mir ein, daß dieser der Reiter gewesen sein könne. Persönlich habe ich ihn vorher nicht gekannt und nicht im entferntesten die Absicht gehabt, ihn zu tödten.

»Am 1. Februar 1868 jagte ich in den waldeckischen Forsten zwischen Rhoden und Helminghausen; ich traf einen Rehbock im Lager an und feuerte. Mein erster Schuß fehlte, der zweite aber saß. Ich hing den Rehbock auf meine Schulter und schlug den Weg nach der Dinkerbrücke ein. Mein Doppelgewehr, welches ich sofort wieder geladen hatte, trug ich unter dem Arme. Etwa hundert Schritte vor der gedachten Brücke trat ich aus dem Stangenholz heraus und ging links an einer Tannenpflanzung hin. Ich sah einen Mann in einem blauen Kittel und trat zurück, um ihn zu beobachten. Der Mann bog rechts ab und blieb dann stehen. Gleich darauf bemerkte ich, daß ein zweiter Mann, ebenfalls in einem blauen Kittel, auf mich zukam. Ich wußte nun, daß es mir galt und rief dem ersten Manne zu: «Sehen Sie hinter sich. Sie haben Ihre Buddel fallen lassen.» Ich wollte dadurch erreichen, daß sich jener Mann umsehen sollte, und die Gelegenheit benutzen, durch die Tannen zu entweichen. Der Mann sah sich wirklich um, ich ging etliche Schritt in die Tannen, sah aber plötzlich hinter einer Tanne einen Arm und ein Gewehr, dessen Mündung auf mich gerichtet war. Die Person, welche das Gewehr hielt, sah ich nicht. Nun gerieth ich in Furcht, legte mein Gewehr an und zielte auf den Arm, der sich feindlich mir entgegenstreckte. Ich hatte nicht die Absicht, einen Menschen zu tödten, sondern wollte nur dem, der auf mich angeschlagen hatte, zuvorkommen. Wer der Mann war, ob es insbesondere der Forstbeamte Heinemann war, weiß ich nicht, und kann auch nicht sagen, ob ich getroffen habe, denn ich bin gleich darauf entflohen. Den Heinemann kenne ich nur daher, daß ich einmal mit ihm zusammen beim Gericht in Brilon gewesen bin.«

Vom 12.–15. November 1868 wurde in Paderborn unter dem Präsidium des Kreisgerichtsdirectors Weingärtner aus Warburg die Schwurgerichtsverhandlung abgehalten. Klostermann sah zwar infolge der fünfmonatlichen Haft nicht mehr so frisch und so blühend aus wie früher, machte aber durch seine schlanke Figur und seine interessanten Gesichtszüge einen guten Eindruck, namentlich auch bei den den höhern Ständen angehörenden Damen, welche sich zahlreich eingefunden hatten. Das im Volke verbreitete Gerücht, das eine Auge Klostermann’s sei infolge des vielen und angestrengten Zielens kleiner geworden, erwies sich als Fabel. Sein Benehmen war freimüthig und keck, er musterte die Zuhörer und schien sich darüber zu freuen, daß ihrer so viele anwesend waren. Wenn irgendeine Scene das Gelächter des Publikums erregte, stimmte er von Herzen mit ein. Mit besonderm Vergnügen verfolgte er die Aufzeichnungen des Berichterstatters der Kölnischen Zeitung, welcher neben seinem Vertheidiger saß.

Als die Witwe König an Krämpfen ohnmächtig niederfiel, gab er in aller Ruhe den Rath, man solle die Pulsadern mit kaltem Wasser waschen, dann werde es vorübergehen. Der Zustand des unglücklichen Heinemann, der noch immer sehr leidend war und nur mühsam seine Aussage abgeben konnte, rührte ibn nicht im mindesten. Nur beim Auftreten des Büchsenmachers Lutter war er sichtlich betroffen; wahrscheinlich hatte er nicht geglaubt, daß dieser gegen ihn zeugen würde.

Der Zudrang aus der Stadt Paderborn und der Umgegend bis zum Fürstenthum Waldeck war ein ungeheuerer, denn jeder wollte den modernen Rinaldo sehen und von seinen Thaten hören. Viele mußten von den Thüren des kleinen, dunkeln Saales, der für die Zwecke des Schwurgerichts nicht ausreichend ist, abgewiesen werden.

Nachdem die Namen der Hauptgeschworenen verlesen worden waren, monirte der Vertheidiger, daß nicht blos Gutsbesitzer und Gutspächter in großer Zahl, sondern auch zwei Bürgermeister und zwei Ortsvorsteher, mithin vier mit polizeilichen Geschäften betraute Personen auf die Liste gesetzt worden seien. Er beantragte, dieselben zu entlassen, und behielt sich vor, die nach seiner Ansicht auffallende Zusammenstellung öffentlich zu rügen. Der Schwurgerichtshof wies den Antrag zurück auf Grund des Artikel 56 zum Gesetze vom 3. Mai 1852, wo es heißt: »Das Verfahren ist nichtig, wenn ein Geschworener mitgewirkt hat, welcher die Eigenschaft eines Preußen nicht besitzt oder sich nicht im Vollgenuß der bürgerlichen Ehrenrechte befindet. Der Mangel der übrigen Bedingungen kann vor dem Gerichte nicht geltend gemacht werden.«

Es wurde hierauf zur Auslosung der Geschworenen geschritten und von der Staatsanwaltschaft wie von der Vertheidigung das Recht der Ablehnung in größtem Umfange geltend gemacht. Der Angeklagte erklärte sich nach Maßgabe seines Eingeständnisses für schuldig, den Oberförster von Wrede und den Forstbeamten Heinemann verwundet zu haben, dagegen beharrte er dabei, daß er auf den Soldaten Struck nicht angelegt und nicht geschossen habe. Trotz der eindringlichsten Ermahnungen des Präsidenten, der Wahrheit die Ehre zu geben, zog Klostermann es doch vor, an seinem Vertheidigungsystem festzuhalten und dreist zu versichern: er habe auf Wrede und Heinemann nur geschossen, um sich gegen ihre Angriffe zu schützen. Die Vorbestrafungen räumte er ein, aber er war stets unschuldig bestraft worden. Den Forstbeamten Brüne kannte er gar nicht, niemals hatte er gegen ihn oder den Ackersmann Stratmann eine Drohung ausgestoßen.

Mit Lutter und Lohoff war er zwar umgegangen, aber beide verdienten keinen Glauben, denn Lohoff habe ihm ein Gewehr entwendet und Lutter stehe selbst in Verbindung mit Wilddieben, er sei ein Lügner und ein Trunkenbold und habe ihn verrathen.

Das Attentat gegen von Wrede erzählte er genau so wie bei seiner letzten Vernehmung. Er wollte ihn nicht erkannt und durch einen Schuß auf das Pferd sich nur vor der Verfolgung geschützt haben.

Die Beweiserhebung bestätigte, was in der Voruntersuchung bereits ermittelt worden war. Etwas Neues kam nicht zu Tage, nur sprach der Oberförster von Wrede seine Ueberzeugung dahin aus, daß der Schuß nicht auf sein Pferd, sondern auf sein Bein gerichtet worden sei, daß der Angeklagte ihn indeß nicht habe tödten, sondern ihm nur einen Denkzettel habe geben wollen.

In Betreff Heinemann’s wiederholte der Angeklagte sein Märchen von dem Gewehr und dem Arme, die er im Tannendickicht gesehen und daß er nur geschossen, um sich vor dem drohenden Angriff zu sichern.

Er wurde indeß durch die Zeugen widerlegt. Die Tannen, in denen Heinemann und die beiden Holzhauer sich niedergelassen hatten, waren mannshoch, sie standen in einzelnen Reihen so weit voneinander, daß man am Ausgang der Schonung die ganze Lichtung übersehen konnte. Heinemann saß in der Mitte, August Beneke zu seiner Rechten, Karl zur Linken. August Beneke erhob sich und ging dem Wilddiebe in der ersten Tannenreihe entgegen. Dieser schlug auf acht Schritte Distanz das Gewehr an. Heinemann und Karl Beneke eilten in der zweiten Tannenreihe vorwärts, sie sahen den Angeklagten deutlich vor sich stehen und er sah sie. Klostermann rief dem August Beneke zu: »Sie haben Ihre Buddel liegen lassen«, dann streckte er den Heinemann mit einem Schuß zu Boden und verschwand im Gebüsch. Heinemann hatte das Gewehr unter dem Arme getragen, der Angeschuldigte war daher überführt, gelogen zu haben, indem er behauptete, daß man auf ihn habe schießen wollen.

In Bezug auf das Rencontre mit dem Soldaten Struck versicherte Klostermann wiederholt, daß nicht er, sondern Lohoff den Schuß abgefeuert habe. Struck war mit einem Zündnadelgewehr, der Angeklagte mit einem Percussionsgewehr bewaffnet gewesen. Ein Sachverständiger erklärte, man könne nach dem Klange sehr deutlich unterscheiden, ob ein Schuß von dem einen oder dem andern Gewehr herrühre und der erste Schuß sei aus einem Percussionsgewehr gefallen. Hierdurch wurde die Aussage Struck’s bestätigt, daß, ehe er geschossen, einer der Wilddiebe gefeuert habe. Lohoff konnte es nicht gewesen sein, da sein Gewehr noch geladen war.

Der Staatsanwalt hielt die Anklage aufrecht bis auf den Mordversuch gegen den Oberförster von Wrede, den er nicht als bewiesen annahm.

Der Vertheidiger suchte auszuführen, daß der Angeklagte weder den Oberförster von Wrede noch den Forstbeamten Heinemann gekannt habe und daß ihm daher nur die vorsätzliche Körperverletzung dieser beiden Personen zur Last falle.

Nachdem der Präsident das Ergebniß der Beweisaufnahme zusammengefaßt und auf diejenigen Punkte aufmerksam gemacht hatte, welche hier berücksichtigt werden müßten, wurden den Geschworenen acht Fragen vorgelegt. Sie verneinten die auf den Angriff gegen den Soldaten Struck gerichteten und ebenso die die Mordversuche betreffenden Fragen, dagegen erklärten sie den Angeklagten für schuldig, sich dem Oberförster von Wrede und dem Forstbeamten Heinemann in Ausübung ihres Amtes thätlich und mit Gewalt an der Person widersetzt und ihnen vorsätzlich eine schwere Körperverletzung zugefügt zu haben.

Der Staatsanwalt beantragte hierauf, das höchste Strafmaß, 20 Jahre Zuchthaus, zu erkennen.

Der Vertheidiger machte geltend, daß in Bezug auf das Attentat gegen Heinemann nicht das preußische, sondern das mildere waldeckische Strafgesetzbuch zur Anwendung kommen müsse, weil das Verbrechen im Fürstenthum Waldeck verübt sei, und hielt eine Zuchthausstrafe von 3 Jahren für eine angemessene Strafe.

Der Gerichtshof verurtheilte den Angeklagten auf Grund der einschlagenden Paragraphen des preußischen und des waldeckischen Strafgesetzbuchs zu 8 Jahren Zuchthaus und sprach ihn frei von der Anschuldigung des versuchten Mordes und von der Anklage, den Soldaten Struck in Ausübung seines Dienstes angegriffen zu haben.

Klostermann schien eine härtere Strafe erwartet zu haben. Die Verkündigung des Urtheils machte kaum einen Eindruck auf ihn. Mehrere von den Anwesenden wollen von ihm die Aeußerung vernommen haben: »Für diese acht Jahre habe ich Vergnügen genug gehabt.«

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