Telegin und Pawlowna

Es ist nun schon eine ganze Reihe von Jahren her, daß etwa vierzig Werst von unserer Besitzung auf seinem Erbgute Suchodol ein entfernter Verwandter meiner Mutter lebte; er war in seiner Jugendzeit Gardeoffizier gewesen, hatte dann, da er ein ziemliches Vermögen befaß, als es ihm beim Militär nicht mehr gefiel, seinen Abschied nehmen und sich der Bewirthschaftung seines Gutes widmen können – und hieß Alexis Sergejewitsch Telegin. Da er niemals sein Haus verließ, so kam er natürlich auch nicht zu uns auf Besuch; mich aber schickten meine Eltern zweimal in jedem Jahre zu ihm, um ihm, als dem ältesten Familienmitglied, eine Aufmerksamkeit zu erweisen. Anfänglich machte ich diese Besuche in Gesellschaft meines Erziehers, später allein. Der alte Herr nahm mich immer mit ausnehmender . . . weiter lesen

Ligow

„Wollen wir doch mal nach Ligow fahren," sagte mir einmal Jermolai, den meine Leser schon kennen, „wir können dort nach Herzenslust Enten schießen." Für den echten Jäger hat die Wildente zwar nichts besonders Anziehendes, aber in Ermangelung anderen Wildes (es war Anfang September: die Waldschnepfen waren noch nicht da, und den Rebhühnern auf den Feldern nachzulaufen, war mir zu dumm geworden) folgte ich dem Vorschlage meines Jägers und begab mich mit ihm nach Ligow. Ligow ist ein großes Steppendorf mit einer sehr alten steinernen, einkuppeligen Kirche und zwei Mühlen an dem sumpfigen Flüßchen Rossota. Dieses Flüßchen verwandelte sich etwa fünf Werst von Ligow in einen breiten Teich, der an den Ufern und auch hie und da in der Mitte mit dichtem Schilf, das man im Orjolschen . . . weiter lesen

Wald und Steppe

Dann aber zieht es seinen Wandersinn Ins Dörfchen, in den dunkeln Garten hin, Wo hohe Linden reichen Schatten spenden, Die Veilchen süße Düfte rings entsenden, Wo runder Geisklee sich vom Damme biegt, Hold in der Flut sein Blumenantlitz wiegt, Auf fetter Trift die üpp‘ge Eiche steht, Der Zephir mild vom duft‘gen Felde weht, Dahin, dahin, ins lustige Gefild, Wo sammetgleich die Erde farbig spielt, Der Roggen sanft, so weit das Auge spähet, Die schlanken, vollen Halme wehet – Der Sonnenstrahl herabfällt, schwer und heiß, Durch einen weißen, klaren Wolkenkreis, – Da ist es gut. . . (Aus einem verbrannten Gedicht) Der Leser ist vielleicht meiner Aufzeichnungen schon ­müde; ich beeile mich, ihn mit dem Versprechen zu be­ruhigen, daß ich mich auf die bisher gedruckten . . . weiter lesen

Angst auf der Landstraße

„Was ich Ihnen sagen wollte", sagte Jermolai, zu mir in die Stube tretend – ich hatte eben zu Mittag gegessen und mich auf mein Feldbett gelegt, um nach einer recht erfolgreichen, aber ermüdenden Birkhuhnjagd auszuruhen – es war gegen Mitte Juli und die Hitze war fürchterlich . . . „Was ich Ihnen sagen wollte: das Schrot ist uns ausgegangen." Ich sprang vom Bette auf. „Das Schrot ist ausgegangen? Wieso? Wir hatten doch an die dreißig Pfund von zu Hause mitgenommen! Einen ganzen Sack!" „Das stimmt. Der Sack war groß und hätte wohl für zwei Wochen gereicht. Wer kann wissen! Vielleicht ist ein Loch darin, aber wir haben kein Schrot mehr . . . für höchstens zehn Schuß ist uns noch geblieben." „Was sollen wir jetzt anfangen? Die besten Stellen haben wir noch vor uns, für . . . weiter lesen

Die lebende Reliquie

Land der Dulder und der Demut, Meine Heimat, Russenerde! F. Tjutschew. Ein französisches Sprichwort lautet; „Der trockene Fischer und der nasse Jäger bieten einen traurigen An­blick." Da ich für die Fischerei niemals etwas übrig ge­habt habe, vermag ich nicht darüber zu urteilen, was ein Fischer bei gutem, heiterem Wetter emp­findet und inwie­fern das Vergnügen, das ihm eine reiche Beute bei Regen­wetter ver­schafft, die Unannehmlichkeit, naß zu sein, auf­wiegt. Für den Jäger ist aber das Regen­wetter ein wahres Unglück. Und von ebendiesem Unglück wurden wir, ich und Jermo­lai, betroffen, als wir einmal wieder in den Bjelewschen Kreis auf die Birkhahnjagd kamen, – Vom frühen Morgen an wollte der Regen nicht aufhören. Was hatten wir nicht alles versucht, um uns vor . . . weiter lesen

Kasan von der schönen Aussicht

Ich kehrte in einem Wägelchen, das stark rüttelte, von der Jagd zurück, schlummerte, von der schwülen Hitze des bewölkten Sommertages erdrückt (bekanntlich ist die Hitze an solchen Tagen noch unerträglicher als an heiteren, besonders wenn es windstill ist), ein wenig ein und schau­kelte hin und her, mich mit düsterer Geduld dem feinen, weißen Staube preisgebend, der sich von der ausgefahrenen Straße unter den ausgetrockneten und ratternden Rädern unaufhörlich erhob –, als meine Aufmerksamkeit plötzlich von der ungewöhnlichen Unruhe und den krampfhaften Körperbewegungen meines Kut­schers erregt wurde, der bis dahin noch fester geschlummert hatte als ich. Er zupfte an den Zügeln, rückte auf seinem Sitz hin und her und fing an, die Pferde anzuschreien, je­den Augenblick nach . . . weiter lesen

Die Beschinwiese

Es war ein herrlicher Julitag, einer von den Tagen, die nur dann vorkommen, wenn kein Wetterumschlag zu erwarten ist. Der Himmel ist dann vom frühen Morgen an heiter; das Morgenrot flammt nicht wie eine Feuersbrunst; die Sonne ist nicht feurig und glühend wie zur Zeit einer Dürre, auch nicht trüb-blutrot wie vor einem Sturme, sondern schwebt hell und freundlich unter einer schmalen und langen Wolke hervor, leuchtet heiter und versinkt im lilagrauen Nebel. Der obere dünne Rand der langgestreckten Wolke glitzert wie voller feiner Schlangen; ihr Glanz erinnert an den Glanz getriebenen Silbers . . . Schon brechen aber die spielenden Strahlen aufs neue hervor, und das mächtige Gestirn steigt lustig, majestätisch wie auffliegend empor. Um die Mittagsstunde erscheint gewöhnlich eine Menge . . . weiter lesen

Burmistr

Etwa fünfzehn Werst von meinem Gut wohnt ein Bekannter von mir, ein junger Gutsbesitzer, der Gardeoffizier a.D. Arkadij Pawlytsch Pjenotschkin. Auf seiner Besitzung gibt es viel Wild, sein Haus ist nach dem Plan eines französischen Architekten errichtet, seine Leute sind englisch gekleidet, er gibt ausgezeichnete Diners und empfängt seine Gäste gastfreundlich, und doch fährt man nicht gern zu ihm hin. Er ist ein vernünftiger und solider Mensch, hat, wie es so geht, eine ausgezeichnete Erziehung genossen, hat gedient und sich in der höchsten Gesellschaft bewegt, und nun treibt er mit großem Erfolg Landwirtschaft. Arkadij Pawlytsch ist, um mit seinen eigenen Worten zu reden, streng, aber gerecht; er sorgt für das Wohl seiner Untertanen und straft . . . weiter lesen

Der Birjuk

Ich fuhr abends al­lein auf mei­nem Renn­wa­gen von der Jagd. Bis nach Hau­se hat­te ich an die acht Werst; mei­ne gu­te Tra­ber­stu­te lief rüs­tig über die stau­bi­ge Stra­ße, in­dem sie ab und zu schnaub­te und die Oh­ren be­weg­te; der mü­de Hund blieb wie an­ge­bun­den kei­nen Schritt hin­ter den Hin­ter­rä­dern zu­rück. Ein Ge­wit­ter war im An­zug. Vor mir er­hob sich hin­ter dem Wald ei­ne rie­sen­gro­ße li­la Wol­ke; über mir und mir ent­ge­gen zo­gen lang­ge­streck­te graue Wol­ken; die Bach­wei­den rausch­ten und be­weg­ten sich un­ru­hig. Ei­ne feuch­te Käl­te war plötz­lich an Stel­le der schwü­len Hit­ze ge­tre­ten; die Schat­ten ver­dich­te­ten sich schnell. Ich schlug das Pferd mit der Lei­ne, fuhr . . . weiter lesen

Lebedjan

Einer der Hauptvorzüge der Jagd, meine lieben Leser, besteht darin, daß sie Sie zwingt, fortwährend von einem Ort zum anderen zu ziehen, was für einen müßigen Menschen recht angenehm ist. Allerdings ist es zuweilen (besonders in der Regenzeit) nicht sehr angenehm, sich auf den Feldwegen herumzutreiben, auch ohne Weg und Steg direkt übers Feld zu gehen, jeden vorübergehenden Bauern mit der Frage anzuhalten: „He, Liebster! Wie kommen wir nach Mordowka?" und in Mordowka ein stumpfsinniges Weib (alle Männer sind auf der Feldarbeit) zu befragen, ob es noch weit sei bis zu den Herbergen an der großen Landstraße und wie man hinkomme; dann aber, nachdem man zehn Werst zurückgelegt hat, statt zu den Herbergen, in das gutsherrliche, arg ruinierte Dorf Chudobubnowo zu geraten, zum äußersten . . . weiter lesen

Tschertopchanow und Nedopjuskin

An einem heißen Sommertag kehrte ich einmal in einem einfachen Bauernwagen von der Jagd heim; Jermolai duselte neben mir sitzend und nickte fortwährend mit dem Kopf. Die schlafenden Hunde wurden unter unseren Füßen wie Leichen herumgerüttelt. Der Kutscher verscheuchte fortwährend mit seiner Peitsche die Bremsen von den Pferden. Der weiße Staub folgte als leichte Wolke dem Wagen. Wir kamen in ein Gebüsch. Der Weg wurde holpriger, die Räder fingen an, die Äste zu streifen. Jermolai fuhr auf und sah sich um . . . „Eh!“ sagte er, „hier muß es ja Birkhühner geben. Wollen wir absteigen.“ Wir hielten und traten ins Gesträuch. Mein Hund stieß auf eine Birkhuhnbrut. Ich schoß und wollte schon das Gewehr von neuem laden, als plötzlich hinter mir ein lautes Krachen ertönte und . . . weiter lesen

Das Ende Tschertopchanows

1   Etwa zwei Jahre nach meinem Besuche bei Pantelej Jeremejitsch trafen ihn harte Schicksalsschläge, Schicksalsschläge im buchstäblichen Sinne des Wortes. Unannehm­lichkeiten, Mißerfolge und Unglücksfälle hatte er auch schon früher erlebt; aber er hatte ihnen keine Beachtung geschenkt und nach wie vor wie ein Fürst gelebt. Der erste Schlag, der ihn traf, war für ihn am empfindlichsten: Mascha verließ ihn. Was sie bewogen hatte, aus seinem Hause zu gehen, an das sie sich so gut gewöhnt zu haben schien, ist schwer zu sagen. Tschertopchanow hielt bis ans Ende seiner Tage an der Ansicht fest, daß die Schuld an Maschas Verrat ein junger Nachbar gewesen sei, ein Ulanenrittmeister a. D. Namens Jaff, der nach den Worten Pantelej Jeremejitschs nur dadurch einnahm, daß er ununterbrochen . . . weiter lesen

Drei Begegnungen

   Passa quei' colli e vieni al­le­gra­men­te, Non ti curar di tanta com­pa­gnia – Vieni, pen­san­do a me se­gre­ta­men­te – Ch'io t'ac­com­pa­gna per tutta la via. I. Vor Jah­ren jagte ich mit be­son­de­rer Vor­lie­be in der Nähe des Kirch­dor­fes Glin­no­je, das etwa zwan­zig Werst von mei­nem Gute ent­fernt liegt. Es ist wohl das beste Jagd­ge­biet im gan­zen Land­krei­se. Nach­dem ich alle Fel­der und Ge­bü­sche nach Wild ab­ge­sucht hatte, ging ich noch re­gel­mä­ßig gegen abend zum Moor­grun­de – es war der ein­zi­ge Moor­grund in der gan­zen Ge­gend – und begab mich erst von dort zu mei­nem gast­freund­li­chen Wirte, dem Dorf­schul­zen von Glin­no­je, bei dem ich in der Jagd­zeit immer Quar­tier . . . weiter lesen