Hopp-Frosch

Ich habe niemals jemand gekannt, der so sehr zu Scherz und Spaß aufgelegt war wie der König; es war geradezu sein Lebenselement. Eine lustige Geschichte gut erzählen – das war der sicherste Weg, sich bei ihm in Gunst zu setzen. So kam es, daß seine sieben Minister alle dafür bekannt waren, vollendete Spaßmacher zu sein. Sie glichen auch sonst dem König: sie waren nicht nur unvergleichliche Witzbolde, sondern auch große, korpulente, fette Männer. Ob die Leute vom Scherzen fett werden oder ob die Veranlagung zu Spaß und Scherz bei fetten Leuten besonders stark entwickelt ist, habe ich nie ganz genau feststellen können; Tatsache aber ist, daß ein magerer Spaßmacher ein seltener Vogel ist. Aus den Feinheiten oder, wie er sagte, dem »Geist« des Witzes machte der König sich . . . weiter lesen

Das Faß Amontillado

Die tausend Ungerechtigkeiten Fortunatos hatte ich, so gut es ging, ertragen, doch als er mich zu beleidigen wagte, da schwor ich Rache. Sie kennen mich und werden mir deshalb glauben, daß ich auch nicht eine einzige Drohung gegen ihn ausstieß. Eines schönen Tages würde ich mich schon rächen, das stand felsenfest; und meine Rache sollte so vollkommen sein, daß ich selbst nicht das mindeste dabei zu wagen hätte. Ich wollte nicht nur strafen, son­dern ungestraft strafen. Ein Unrecht ist nicht gesühnt, wenn den Rächer wiederum Strafe ereilt - der Beleidiger büßt nicht, wenn er den Rächer nicht kennt. Sie können sich denken, daß ich dem Fortunato mit keinem Worte, mit keiner Handlung Anlaß gegeben habe, an meinem Wohlwollen zu zweifeln. Ich lächelte ihm freundlich zu, wie immer, . . . weiter lesen

Du hast’s getan

Ich will jetzt den Ödipus des Rätsels spielen, das ganz Rattelburg so lange Zeit in Aufregung hielt. Ich will, ja, ich allein kann Ihnen die geheime Maschinerie erklären, die das Wunder zustande brachte - das einzig dastehende, das wahrhaftige, das eingestandene, das unbestrittene und unbestreitbare Wunder, das allem Unglauben unter den Rattelburgern ein für allemal ein Ende machte und alle Weltlichgesinnten und alle, die es gewagt hatten, skeptisch zu sein, zu der Strenggläubigkeit unserer Großmutter bekehrte. Das Ereignis, von dem ich um keinen Preis im Tone unschicklicher Leichtfertigkeit reden möchte, trug sich im Sommer des Jahres 18.. zu. Herr Barnabas Schüttelwert, einer der wohlhabendsten und angesehensten Bürger des Städtchens, wurde seit ein paar Tagen vermißt, und zwar . . . weiter lesen

Liebe auf den ersten Blick

Vor noch nicht allzulanger Zeit gehörte es zum guten Ton, den Glauben an die ›Liebe auf den ersten Blick‹ für eine Lächerlichkeit zu halten, doch alle Leute, die denken und tief empfinden können, sind stets von seiner Wahrheit überzeugt gewesen. Neue Entdeckungen auf dem Gebiet des - sagen wir - ethischen und ästhetischen Magnetismus machen es sehr wahrscheinlich, daß die natürlichsten und folglich die wahrsten und stärksten Empfindungen der Menschen plötzlich, wie durch eine elektrische Wirkung, im Herzen entstehen - mit einem Wort, daß die schönsten und dauerndsten Seelenbande durch einen Blick geknüpft werden. Das Bekenntnis, das ich hier ablegen will, wird die unzähligen Beweise für die Wahrheit dieser Behauptung . . . weiter lesen

Drei Sonntage in einer Woche

Du hartherziger, dickköpfiger, eigensinniger, schimmeliger, verknöcherter, muffiger, vertrockneter alter Filz! sagte ich eines Nachmittags in Gedanken zu meinem Großonkel und ballte ihm eine Faust – in der Tasche. Nur in der Tasche! Denn es existierte leider eine kleine Diskrepanz zwischen dem, was ich sagte, und dem, was ich den Mut hatte, ihm persönlich zu sagen – zwischen dem, was ich tat, und dem, was ich Lust hatte, zu tun. Als ich die Wohnzimmertür öffnete, saß das alte Meerschwein vor dem Kamin, die Füße auf dem warmen Roste, hielt einen Humpen mit Porter in der Pfote und machte wackere Anstrengungen, der Aufforderung des Liedchens Folge zu leisten: Remplis ton verre vide! Vide ton verre plain! »Mein lieber Onkel«, sagte ich, schloß die Tür so sanft wie möglich . . . weiter lesen