Wie Santa Claus nach Simpsons Bar kam

Es hatte geregnet im Tal des Sacramento. Die Nordgabel überflutete ihre Ufer und der Klapperschlangenfluß war unpassierbar. Die wenigen Felsblöcke, die bei Simpsons Kreuzweg die Sommerfurt bezeichneten, waren von einer ungeheuren Wasserfläche bedeckt, die sich bis zu den Vorbergen ausdehnte. Die Postkutsche in die Berge hatte bei Granger halt gemacht. Die letzte Post war in den Sümpfen verlassen worden und der Postreiter hatte um sein Leben schwimmen müssen. „Ein Gebiet, so groß wie der ganze Staat Massachusetts steht jetzt unter Wasser", bemerkte die „Lawine der Sierra" mit tiefsinnigem Lokalstolz. In den Vorbergen war das Wetter durchaus nicht besser. Tief lag der Schlamm auf der Bergstraße; Frachtwagen, die weder physische Kraft noch sittliche Entrüstung von den üblen . . . weiter lesen

Jack Hamlins Erholungsaufenthalt

Seth Rivers' gewöhnlich so ruhiges, asketisches Gesicht war einigermaßen aufgeregt, und seine Brauen waren gerunzelt, als er den langen Aufstieg des Windigen Hügels zu dessen Gipfel und seinem eigenen Rancho hinanklomm. Vielleicht war es die Wirkung des ortseigentümlichen Windes, der ihn an diesem Nachmittag von allen Seiten zugleich anzugreifen schien und selbst an seiner Vordertür den Angriff nicht aufgab, sondern ihn in den Hausgang drängte, ihn ins Wohnzimmer blies und dann zur Feier seines Abschieds aus dem langen, weitläufigen Hause Türen und Fenster zuschlug. Frau Rivers blickte bei diesem etwas plötzlichen Auftauchen ihres Ehegemahls von der Arbeit auf, ohne den ihr eigenen Ausdruck ein wenig müder Selbstgefälligkeit zu verändern. Da sie mit diesen Ausbrüchen der Naturgewalten . . . weiter lesen

Die Idylle von Red Gulch

Sandy war stockbesoffen. Er lag unter einem Azaleenbusch in fast derselben Stellung, in der er vor einigen Stunden dort hingesunken war. Wie lange genau er dort schon so lag, konnte er nicht sagen, es kümmerte ihn auch nicht; und wie lange er noch dort liegen würde, war völlig unbestimmt und unwichtig. Eine philosophische Gelassenheit, die seinem physischen Zustand entsprang, erfüllte vollkommen sein moralisches Dasein. Der Anblick eines betrunkenen Mannes, und gerade dieses betrunkenen Mannes, war, wie leider gesagt werden muss, nichts so Neues in Red Gulch, um große Aufmerksamkeit zu erregen. Früher am Tage hatte ein lokaler Spaßmacher neben Sandys Kopf einen provisorischen Grabstein aufgerichtet, der die Inschrift trug: »Wirkungen von Mac Corkle's Whisky – tötet noch auf dreihundert . . . weiter lesen

Das Urteil von Bolinas Plain

Der Wind erhob sich auf der Bolinas Plain. Er hatte den feinen Alkalistaub längs der ebenen Poststraße aufgewirbelt, so daß selbst diese feine Spur – die einzige Unterbre­chung in der monotonen Landschaft – feiner schien als je. Aber andererseits war die Staubwolke eine Erleichterung: Sie nahm die Gestalt entfernter Wälder an, wo es keinen Baum gab, und die Gestalt fahrender Gespanne, wo kein Leben war. Und als Sue Beas­ley an der Schwelle von One-Spring-House stand, ihre gelben Wimpern mit der kleinen roten Hand beschattend, und die öde Fährte entlang blickte, wurden selbst ihre an den öden Anblick gewöhnten Augen ein- oder zweimal getäuscht. „Sue!" Es war eines Mannes Stimme von drinnen her. Sue beachtete sie nicht, sondern blieb stehen, mit der Hand die Augen beschattend. „Sue! . . . weiter lesen

Dick Boyles Geschäftskarte

Die zwischen Sage Wood und Dead Flat verkehrende Postkutsche wartete vor dem Stationsgebäude. Der Postwagen von Pine Barrens, an den sie Anschluß hatte, war mit seinen Durchgangsreisenden längst überfällig, und die Station war in stumpfsinnige Erwartung versunken. Selbst der Humor Dick Boyles, des Klinkenputzers aus Chicago – und bis jetzt des einzigen Reisenden, der die wartenden Müßiggänger unterhalten hatte, fing an seine Wirkung zu verfehlen, obgleich der Frohsinn des Spaßvogels nicht notgelitten hatte. Die Pferdeknechte hatten sich in die Stallungen zurückgeschlichen, der Posthalter und der Kutscher hatten ihre Unterhaltung auf abgerissene Grobheiten beschränkt, als ob jeder den andern für die Verzögerung verantwortlich . . . weiter lesen

Miggles

Mit dem Kut­scher wa­ren wir zu neunt. Die gan­zen letz­ten sechs Mei­len hat­ten wir kein Wort ge­wech­selt, seit das Rüt­teln des schwe­ren Ge­fährts auf der holp­ri­gen Stra­ße das letz­te poe­ti­sche Zi­tat des Rich­ters ver­dor­ben hat­te. Der gro­ße Mann ne­ben dem Rich­ter schlief, den Kopf auf den Arm ge­legt, den er die die pen­deln­de Hal­te­schlau­fe ge­scho­ben hat­te – al­les in al­lem ein schlaf­fes, hilf­lo­ses Bün­del, das wirk­te, als ob er sich selbst auf­ge­hängt hät­te und zu spät ab­ge­schnit­ten wor­den wä­re. Die fran­zö­si­sche La­dy auf dem Rück­sitz schlum­mer­te gleich­falls, doch in ei­ner halb be­wuss­ten schick­li­chen Hal­tung, die sich selbst in der Art zeig­te, mit der sie das Ta­schen­tuch, . . . weiter lesen

Das Glück von Roaring Camp

Im Roaring Camp war große Aufregung. Eine Prügelei konnte die Ursache nicht sein; denn im Jahre 1850 war so etwas nicht neu genug, um die ganze Ansiedlung auf die Beine zu bringen. Nicht bloß die Gräben und Goldwäschereien waren verlassen, sondern auch Tuttles Schankwirtschaft hatte ihre Spielteufel beigesteuert, die, wie man sich erinnern wird, ruhig ihr Spiel fortsetzten an dem Tage, da French Pete und Kanaka Joe sich über den Schenktisch im Vorderzimmer gegenseitig eine Kugel durch den Kopf jagten. Das ganze Lager war vor einer rohen Hütte am äußersten Saume der Rodung versammelt. Man unterhielt sich in leisem Tone; aber der Name eines Frauenzimmers ward häufig genannt. Es war ein im Lager genugsam bekannter Name – »Cherokesen-Sally«. Je weniger wir von ihr sagen, desto . . . weiter lesen

Die Verstoßenen von Poker Flat

Als Herr John Oakhurst, Spieler vom Fach, am Morgen des 23. November 1850 in die Hauptstraße von Poker-Flat hinaustrat, gewann er die Überzeugung, daß sich seit dem vorhergehenden Abend in der moralischen Atmosphäre dieses Ortes eine Änderung vollzogen hatte. Zwei oder drei Männer, die in einem ernsthaften Gespräch miteinan- der begriffen waren, verstummten bei seiner Annäherung und wechselten vielsagende Blicke. Es lag eine sabbatische Ruhe in der Luft, und das war in einer Kolonie, in der man an sabbatische Einflüsse nicht gewöhnt war, ein unheilverkündendes Zeichen. Herrn Oakhursts ruhiges, hübsches Gesicht verriet wenig Besorgnis über diese Anzei­chen. Ob er eine Ahnung von der Ursache hatte, ist eine andere Frage. Ich vermute, sagte er sich, daß sie hinter jemand her . . . weiter lesen

Wan-Li der Heide

Als ich Hop Sings Brief öffnete, flatterte ein viereckiger Streifen gelben Papiers daraus zu Boden, das mit Hierogly­phen bedeckt war, die ich in meiner Unschuld auf den ersten Blick für die Etikette eines Päckchens mit chinesischen Knallerbsen hielt. Aber dasselbe Kuvert enthielt noch einen kleineren Streifen Reispapier, versehen mit zwei in chinesischer Tusche ausgeführten Lettern, an denen ich sofort erkannte, daß es Hop Sings Visitenkarte war. Das Ganze, wörtlich übersetzt, bedeutete: »Dem Fremden sind die Pforten meines Hauses nicht verschlossen. Der Reiskrug befindet sich zur Linken und das Konfekt zur Rechten des Eingangs. Zwei Sprüche des Meisters: Gastfreundschaft ist die Tugend des Sohnes und die Weisheit des Ahnen. Der höherstehende Mann ist nach der Ernte leichten . . . weiter lesen

Der Narr von Fünfgabel

Er lebte einsam für sich. Ich glaube nicht, daß diese Eigentümlichkeit dem Wunsche entsprang, sich mit seiner Narrheit den übrigen Bewohnern des Lagers möglichst fernzuhalten; auch ist es nicht wahrscheinlich, daß die vereinte Weisheit von Fünfgabel imstande gewesen wäre, ihn in die Verbannung zu treiben. Ich habe vielmehr den Ein­druck, daß er dieses zurückgezogene Leben ganz aus freier Wahl führte – einer Wahl, längst getroffen, ehe das Lager sich erlaubte, an seinen geistigen Fähigkeiten Kritik zu üben. Er hatte einen großen Hang zu schwermütiger Schweigsamkeit, und ungeachtet seiner kräftigen äußern Erscheinung hörte man ihn stets über seine schlechte Gesundheit klagen. Bekannte erklärten sich seine Vereinsamung daraus, daß diese ihm bessere Ge­legenheit bot, . . . weiter lesen

Brown von Calaveras

Der gedämpfte Ton der Unterhaltung und das Fehlen von Zigarrenrauch und Stiefelab­sätzen an den Fenstern der Wingdamer Postkutsche ließen darauf schließen, daß sich unter den Passagieren im Innern eine Frau befand; und der Eifer, mit dem die Stations­bummler auf den Haltestellen sich vor den Fenstern versammelten, sowie eine gewisse Besorgnis hinsichtlich des Aussehens ihrer Röcke, Hüte und Vatermörder deuteten fer­ner darauf hin, daß die Dame schön war. Alle diese Beobachtungen machte Herr Jack Hamlin von der Höhe seines Bocksitzes aus mit dem Lächeln eines zynischen Philoso­phen. Nicht daß er das schöne Geschlecht verachtete, aber er hatte in ihm ein trügerisches Element erkannt, dessen Kultus die Menschheit zuweilen ablenkte von den ebenso unbeständigen Freuden des Spiels, . . . weiter lesen

Einsame Fahrt

Als ich in die Slumgullioner Postkutsche stieg, sah ich, daß die Nacht dunkel, die Straße einsam und ich der einzige Passagier war. Der Leser gestatte mir, ihn zu versichern, daß ich mit dieser Bemerkung keinen geheimnisvollen Nebenzweck verfolge. Ein langer Kursus in leichter Lektüre hat mir die Augen darüber geöffnet, was von einem solchen Anfang zu erwarten ist. Der Erzähler, der durch solch aufregende Einleitungen vorsätzlich das Schicksal versucht, der den erwartungsvollen Leser ahnen läßt, er schwebe in Gefahr, geplündert oder halb totgeschlagen oder von einem durchgegangenen Tollhäusler erschreckt oder seinem Feinsliebchen zum erstenmal vorgestellt zu werden - der verdient, daß man ihn anzeigt. Es ist eine wahre Genugtuung . . . weiter lesen