Aktenfaszikel 113 – Kap.23

Von dem Augenblick an, wo der Marquis von Clameran in Raoul ein Hindernis für seine Verbindung mit Magda sah, hatte er keinen anderen Gedanken als »dieses Hindernis« zu beseitigen.

Schon am nächsten Tag hatte er Maßregeln getroffen, und als Raoul nach Mitternacht zu Fuß nach Besinet zurückkehrte, wurde er plötzlich auf der einsamen Straße überfallen.

Aber der Jüngling war gewandt und kräftig. Nicht umsonst hatte er in England allerlei Sport betrieben und sich unter den Boxkämpfern geradezu einen Namen gemacht. Es gelang ihm, sich seiner Angreifer zu erwehren und sie in die Flucht zu schlagen, er selbst ging ziemlich unbeschädigt aus dem Kampfe hervor.

Seit diesem nächtlichen Überfall wurde Raoul vorsichtiger und ging nie mehr ohne Waffen aus. Es kam ihm aber nicht in den Sinn, seinen ehrenwerten Oheim zu beargwöhnen.

Einige Tage später fing ein Unbekannter im Kaffeehause plötzlich ganz grundlos mit ihm Händel an, warf ihm schließlich seine Karte ms Gesicht und sagte, er sei zu jeder Genugtuung bereit.

Der Kerl sah wie ein richtiger Raufbold und Bramarbas aus. Auf seiner Karte stand:

W. H. B. Jakobsen
Früherer Garibaldianer
Ehemaliger Offizier der Südarmee
Italien – Amerika.

»O, o, ein ruhmreicher Militär, der seine Würden wahrscheinlich im Fechtsaal erworben hat,« sagte Raoul  lachend. Doch da die Beleidigung vor Zeugen stattgefunden hatte, mußte er sich mit dem zweifelhaften Gesellen schlagen.

Zwei Freunde Raouls begaben sich als Kartellträger zu Herrn Jakobsen und vereinbarten mit seinen Zeugen die Duellbedingungen.

Am nächsten Morgen schon fand der Zweikampf im Vincenner Wäldchen statt und schon beim ersten Gange wurde Raoul leicht verwundet.

Der Garibaldianer und Offizier der Südarmee wollte den Kampf bis zum Tode eines der Duellanten fortsetzen, und seine Sekundanten stimmten ihm bei, allein Raouls Zeugen behaupteten, der Ehre sei Genüge geschehen, und es sei überflüssig, das Leben ihres Schutzbefohlenen noch einmal aufs Spiel zu setzen.

Damit war die Sache abgetan.

Raoul aber waren plötzlich die Augen, aufgegangen. Er sah einen Zusammenhang zwischen dem nächtlichen Überfall und dem erzwungenen Duell und erkannte die Hand, die die Fäden so geschickt lenkte.

»Also so ist es gemeint?« sagte er, »nun, der Schurke soll es büßen!«

Raoul besaß 400 000 Frank, damit wollte er sich begnügen und sich so schnell wie möglich von seinem gefährlichen Genossen trennen, vorher aber wollte er ihn mitten ins Herz treffen und die Heirat mit Magda hintertreiben.

Das konnte nicht schwer fallen, er hatte nur offen Magdas Partei zu ergreifen, und um diesen Entschluß auszuführen, schrieb er Frau Fauvel und bat sie um eine Unterredung.

Die arme Frau erschien mit Angst und Herzklopfen, sie war auf neue Forderungen, neue Drohungen gefaßt.

Aber Raoul war heute wieder der zärtliche, liebevolle Sohn. Er führte sie zu einem bequemen Sitz, kniete vor ihr nieder und bedeckte ihre Hände mit Küssen.

»Arme Mutter, was hast du alles um meinetwillen leiden müssen! Vergib mir, ich bereue und …«

Er konnte nicht weitersprechen, die Tür hinter ihm öffnete sich geräuschvoll und Fauvel erschien mit erhobenem Revolver auf der Schwelle.

Er war totenbleich, und es kostete ihm sicher eine übermenschliche Anstrengung ruhig zu scheinen – er kam als Richter, als Rächer.

Bei seinem Anblick waren Valentine und ihr Sohn mit einem Schreckenslaut emporgefahren. Fauvel aber lachte höhnisch auf.

»Ich komme allerdings unerwartet,« sagte er schneidend.

Raoul hatte sich mutig vor Frau Fauvel gestellt, um sie mit seinem Leibe zu decken und erwartete ruhig die Kugel. Nur wollte er den offenbar eifersüchtigen Mann aus dem Irrtum reißen und sagte daher: »Glauben Sie mir, Onkel …«

»Genug der Lügen und Schändlichkeiten,« unterbrach ihn Fauvel zornsprühend. »Die Komödie ist zu Ende!«

»Ich schwöre Ihnen…«

»Schweigen Sie, ich weiß alles. Ich weiß, wo der Schmuck meiner Frau hingekommen ist, ich kenne den Urheber des Diebstahls, um dessentwillen Prosper eingesperrt worden ist!«

Frau Fauvel war entsetzt und niedergeschmettert in die Knie gesunken!

Nun war der fürchterliche, der gefürchtete Tag doch gekommen! Vergeblich hatte sie Lüge auf Lüge gehäuft, hatte  sich geopfert – nun war das Unabwendbare hereingebrochen! Die Wahrheit kommt immer an den Tag!

»André,« stammelte sie, »ich beschwöre dich, verzeih!«

Bei dem Klang dieser einst so geliebten Stimme zuckte Fauvel zusammen.

Die ganze Vergangenheit lebte vor ihm auf. Wie eine Lichtgestalt war ihm Valentine von Laverberie einst erschienen, und er hatte sich für den glücklichsten der Sterblichen gehalten, weil sie seine Hand angenommen. Und zwanzig Jahre hatte er glücklich an ihrer Seite gelebt, sie auf den Händen getragen!

»Verzeihung, Verzeihung,« stöhnte die Unglückliche, die sich auf den Knien bis zu Fauvels Füßen geschleppt hatte. »Vergib mir, André, vergib!«

»Valentine,« sagte Fauvel traurig, mit tränenerstickter Stimme, »o Valentine, wie konntest du mir das antun, wie konntest du nur deine Ehre aufs Spiel setzen, so tief sinken!«

Wieder wollte Raoul den unheilvollen Irrtum, in dem sich Fauvel befand, aufklären und begann: »Erlauben Sie mir, Herr Fauvel …«

Aber der Ton dieser Stimme genügte, um in dem beleidigten Gatten jede mildere Regung sofort zu ersticken.

»Schweigen Sie,« rief er wild. Und nach einer Pause fügte er hinzu: »Ich bin gekommen, um euch zu überraschen und zu töten – allein, ich habe mir zu viel zugetraut – ich bin kein Mörder. Nehmen Sie den Revolver, der dort am Kamin liegt, und verteidigen Sie sich.«

Raoul ergriff die Waffe.

»Barmherziger Himmel,« schrie Frau Fauvel und streckte flehend ihre gerungenen Hände gegen den Gatten empor, »töte ihn nicht, André, ich will dir alles bekennen.«

Das war für Fauvel zu viel! Das ehebrecherische Weib wagte es, für ihren Geliebten um Gnade zu flehen! Das Maß war übervoll!

»Zurück!« donnerte er und hob die Waffe.

Valentine aber sprang auf, breitete die Arme schützend um Raoul und rief: »Töte mich, denn ich bin die allein Schuldige!«

Da konnte sich Fauvel, wahnsinnig vor Eifersucht, nicht länger bezwingen und drückte los – aber der Schuß versagte.

Er gab ein zweites, ein drittes Mal Feuer – und er wollte eben ein viertes Mal losdrücken, als die Tür aufgerissen wurde, ein Mann hereinstürzte und ihm den Revolver entriß.

Verduret war’s, den Cavaillon erst nach langem Suchen gefunden, und der nun von den schlimmsten Befürchtungen getrieben, nach Bersinet gejagt war.

»Gott sei Dank,« rief er, als er Frau Fauvel noch aufrecht stehen sah, »sie ist nicht getroffen.«

Er wußte nicht, daß Nina so klug und vorsichtig gewesen, die Kugeln aus dem Revolver zu entfernen.

Unterdessen hatte sich Fauvel von der ersten Überraschung erholt.

»Lassen Sie mich,« rief er dem Fremden zu, »ich übe mein Recht aus.«

»Der anonyme Brief hat Sie getäuscht, danken Sie Gott, daß der Zufall Ihnen ein furchtbares Verbrechen erspart hat.«

»Da kann von keiner Täuschung die Rede sein,« versetzte Fauvel finster, »sie selbst bekennt sich schuldig.«

»Aber in anderem Sinne, als Sie meinen. Für wen halten Sie den jungen Mann?«

»Er ist ihr Geliebter!«

»Nein, er ist nicht ihr Geliebter, sondern – ihr Sohn!«

Die plötzliche Dazwischenkunft dieses so wohl unterrichteten Unbekannten verblüffte und entsetzte Raoul mehr, als Fauvels Drohungen, dennoch besaß er genug Geistesgegenwart, um die Aussage des Fremden zu bestätigen.

»Das ist wahr,« sagte er.

Der Bankier blickte wie geistesverwirrt von Verduret zu Raoul und dann auf seine Frau, die niedergebeugt dasaß als erwarte sie ihr Todesurteil. Aber plötzlich durchzuckte ihn der Gedanke, daß das ein abgekartetes Spiel sei und man ihn betrügen wolle.

»Das ist nicht möglich,« stieß er hervor. »Beweise, schaffen Sie Beweise!«

»Die können Sie haben,« antwortete Verduret ruhig »aber vorerst hören Sie.«

Und rasch entrollte er in großen Zügen das von ihm aufgedeckte Drama.

Gewiß war die Wahrheit für Fauvel noch immer furchtbar, aber doch weniger gräßlich als das, was er geglaubt hatte.

An dem was er gelitten, konnte er seine Liebe zu seiner Frau ermessen. Sollte er eine so weit zurückliegende Schuld, die durch ein Leben der Aufopferung und soviel Leiden gesühnt war, nicht vergeben können?

Verduret hatte seinen Bericht längst geendet und Fauvel schwieg noch immer. Sein Herz war zum Verzeihen geneigt, Gaston war tot, die Vergangenheit wäre ausgelöscht gewesen, ohne den lebenden Zeugen einer vergangenen Schuld. »Und dieser Elende,« sagte er, seinen Gedanken laut Ausdruck gebend, »dieser Bube, der dich beraubt und mich bestohlen hat, ist dein Sohn!«

Frau Fauvel brach aufs neue in Tränen aus, aber an ihrer Stelle antwortete Verduret: »Die gnädige Frau glaubt es allerdings, aber in Wahrheit ist er es nicht, man hat sie schändlich betrogen, um sie leichter ausrauben zu können.«

Schon seit geraumer Weile war Raoul bemüht, sich geschickt der Tür zu nähern, um verstohlen das Weite zu suchen, aber in dem Augenblick als er sich unbeachtet wähnte und verschwinden wollte, drehte sich Verduret rasch um, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: »Ei, wohin so schnell, junger Herr? Sie sind uns noch einige Aufklärungen schuldig, also müssen Sie schon noch verziehen.«

Der spöttische Ton war für Raoul wie eine Offenbarung, jetzt erkannte er die Stimme und entsetzt entfuhr ihm das eine Wort: »Der Bajazzo!«

»Jawohl, der Bajazzo, hier ist das untrügliche Zeichen, daß er es wirklich ist,« antwortete Verduret, indem er den Ärmel aufstreifte und die frische Narbe sehen ließ.

»Erkennen Sie dies kleine Andenken? Ist es Ihnen erinnerlich, wie Sie mich nach dem Balle bei Jandidier auf offener Straße mit dem Messer überfielen?«

»O Gott, was werde ich noch alles hören müssen,« stöhnte Fauvel, »ist es der Schmach und Schande noch nicht genug!«

»Beruhigen Sie sich, Herr Fauvel,« entgegnete Verduret »und hören Sie den Schluß meiner Geschichte: Nachdem Louis von Clameran von Milhonne das – Unglück der Komtesse von Laverberie vernommen hatte, begab er sich sofort nach England, um die Bäuerin, der das Kind übergeben worden war, aufzusuchen. Zu seiner Enttäuschung aber mußte er erfahren, daß der kleine Raoul Wilson mit achtzehn Monaten an der Bräune gestorben war.«

»Das ist nicht wahr,« fiel Raoul ein, »wer will das behaupten?«

»Wer? Die Behörden, und Leute, die es wissen müssen,« versetzte Verduret, »hier die beglaubigten Dokumente, die Aussagen der Bauersfrau, ihres Mannes und vier Zeugen, hier der Auszug der Matrikel, der Taufschein, und dies hier ist der Totenschein. Sämtliche Papiere sind, wie Sie sehen, nicht nur vom Notar, sondern auch von der französischen Gesandtschaft beglaubigt.«

»Das ist alles falsch,« sagte Raoul frech.

»So? Nun dann sagen Sie mir, was Sie von der kleinen Geschichte halten, die mir einer meiner Freunde, der eben aus London kommt und vorzüglich unterrichtet ist, mitteilte. Passen Sie gut auf, vielleicht kommt sie Ihnen bekannt vor. Ein Lord Murray, ein sehr reicher und freigebiger Mann, hatte einen Jockei namens Spencer, auf den er große Stücke hielt. Bei einem Rennen in Epsom stürzte aber der gewandte Jockei so unglücklich, daß er sich das Genick brach. Der Lord war in Verzweiflung, und da er selber kinderlos war, so nahm er sich des kleinen, damals vierjährigen Söhnchens Spencers an. Der kleine James war ein reizendes Kind und bezauberte Lord Murray so, daß er ihn wie einen Prinzen erziehen ließ. Bis zu seinem sechzehnten Lebensjahre betrug sich James zur Zufriedenheit seines Wohltäters, dann aber machte er schlechte Bekanntschaften und geriet auf Abwege. Sein gütiger Ziehvater vergab ihm wiederholt seine schlechten Streiche, als er es aber gar zu bunt trieb und sogar Wechsel fälschte, da jagte ihn Lord Murray entrüstet aus dem Hause. Vier Jahre trieb sich James Spencer in den Londoner Spelunken herum und lebte vom Spiel und anderen dunkelen Erwerbszweigen, als er mit dem Marquis von Clameran bekannt wurde. Dieser adelige Glücksritter bot ihm 25 000 Frank an, wenn er eine Rolle in einem Lustspiele, das er aufzuführen gedachte, übernehmen wolle.«

Raoul hatte mit steigender Verwunderung seine eigene Geschichte aus dem Munde des Fremden angehört, aber plötzlich ward es ihm furchtbar klar: »Sie sind ein Detektiv,« sagte er schreckensbleich.

»Für den Augenblick bin ich nur Prospers Freund,« entgegnete Verduret, »von Ihnen wird das übrige abhängen.«

»Was verlangen Sie von mir?«

»Das gestohlene Geld, das Sie dort in jenem Wandschrank aufbewahrt haben und die Versatzzettel ebenfalls.«

Raoul sah, daß sein Spiel verloren war, und daß ihm nichts übrig blieb, als zu gehorchen. Er entnahm daher dem Schranke einige Päckchen Banknoten und ein Bündel Pfandscheine und reichte sie Verduret.

Während dieser das Geld überzählte, schlich Raoul leise zur Tür, öffnete sie rasch und schloß zu, da der Schlüssel von außen steckte.

»Er geht durch!« rief Fauvel.

»Selbstverständlich,« entgegnete Verduret ruhig, ohne auch nur den Kopf umzuwenden, »ich war überzeugt, daß er so gescheit sein würde.«

»Wie, Sie wollen ihn entkommen lassen?«

»Gewiß, oder wäre es Ihnen etwa lieber, die Geschichte an die große Glocke zu hängen? Soll es morgen in allen Blättern stehen, welchen Schurken Ihre Frau in die Hände gefallen ist?«

»Um keinen Preis!«

»Also lassen Sie ihn laufen. Er hat noch ungefähr 50 000 Frank bei sich, damit kann er ins Ausland reisen und wir werden nie mehr etwas von ihm hören.«

Fauvel erkannte, daß Verduret vollkommen recht hatte und er ihm mehr als das Leben verdanke, er sagte daher  mit bewegter Stimme: »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen für den ungeheueren Dienst, den Sie mir erwiesen, danken soll.«

»Darf ich eine Bitte an Sie richten?« entgegnete Verduret.

»Sprechen Sie,« rief Fauvel, »alles, alles was ich bin und habe, steht zu Ihrer Verfügung.«

»Ich bin, wie Sie gehört haben, Prospers Freund – helfen Sie ihm seine Ehre wiederherstellen. Und dann noch eins: er liebt Fräulein Magda.«

»Ja, ich will ihm öffentlich Genugtuung geben, will seine Ehre wiederherstellen und Magda soll seine Frau werden, das gelobe ich Ihnen.«

Verduret nahm seinen Hut und schickte sich zum Gehen an.

»Es bleibt Ihnen noch etwas zu tun übrig,« sagte er, »Ihre Frau …«

»André,« flüsterte die arme Frau, »verzeih’.«

Fauvel zögerte einen Augenblick, aber dann eilte er auf seine Frau zu, schloß sie in die Arme und sagte: »Nein, ich will nicht so töricht sein, gegen mein eigenes Herz zu streiten. Valentine, ich verzeihe nicht, nein, ich vergesse alles – – mein geliebtes Weib!«

Leise entfernte sich Verduret und fuhr rasch nach Paris zurück.

Was sollte nun mit Clameran geschehen? Er durfte doch unmöglich ebenfalls straflos ausgehen wie Raoul! Verduret überlegte und sann lange; er sagte sich: Frau Fauvel darf nicht bloßgestellt werden, daher bleibt nur übrig, daß von Oloron aus eine Anklage wegen Vergiftung ausgeht. Aber – das kann nicht von heute auf morgen geschehen – und da hat Clameran Zeit zu entwischen. – Nun will ich einmal versuchen, ein Wörtchen mit ihm zu reden.

Es dunkelte schon, als endlich Verdurets Wagen vor dem Hotel Louvre hielt.

Vor dem Hotel drängten sich die Leute und wollten sich, trotz der Aufforderung der Stadtsergeanten, nicht entfernen. »Was gibt’s?« fragte Verduret.

»Ein halbnackter Mensch läuft auf dem steilen Dache herum,« antwortete man ihm, »sehen Sie, jetzt ist er wieder bei der Dachluke. Mit der Behendigkeit eines Affen ist er hinaufgeklettert und hat dabei fortwährend ›Mörder, Mörder‹ geschrien.«

Der Mann sprach noch fort, aber Verduret hörte längst nicht mehr, sondern drängte sich durch die dichtgekeilte Menge in den Hof des Hotels.

Wenn es Clameran wäre … dachte er. Wenn Angst und Schrecken dieses Verbrechergehirn zerrüttet hätten …!

Als Verduret in den Hof gelangt war, erblickte er Fanferlot mit drei anderen Agenten.

»Was gibt’s?« fragte er sogleich. »Ist es Clameran?«

»Jawohl. Als er mich heute früh am Kai erblickte, nahm er Reißaus und lief wie ein Rennpferd, aber plötzlich machte er kehrt und eilte ins Hotel zurück. Wahrscheinlich wollte er sein Geld nicht im Stich lassen. Hier aber erblickte er meine drei Kameraden, er glaubte sich verloren, und da mag der Verstand mit ihm durchgegangen sein.«

Inzwischen hatte man den Irren durch einen Feuerwehrmann vom Dache herabholen lassen. Da er fürchterlich tobte, mußte ihm die Zwangsjacke angelegt werden, ehe er ins Krankenhaus gebracht werden konnte.

Verduret und Fanferlot folgten.

Der Arzt war eben damit beschäftigt, dem Kranken eine beruhigende Arznei einzuflößen, aber er sträubte sich und schrie, man wolle ihn vergiften.

»Der Fall ist sehr ernst,« antwortete der Arzt auf Verdurets diesbezügliche Frage.

»Der Mann leidet an unheilbarem Wahnsinn. Er bildet sich ein, daß man ihn vergiften will und wird jede Nahrungsaufnahme verweigern…«

Verduret schauderte.

»Er büßt seine Verbrechen,« sagte er leise und entfernte sich gedankenvoll.

»Was wird nun aus dem Aktenfaszikel 113 werden?« klagte Fanferlot. »Und ich habe Mühe und Unkosten ganz umsonst gehabt!«

»Das Aktenfaszikel wird allerdings nie aus dem Archiv herauskommen. Aber tröste dich, nächster Tage schicke ich dich mit einem Briefe zu Herrn Fauvel und der Lohn für deine Mühe wird nicht ausbleiben!«

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